Paulo Freire

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Inhaltsverzeichnis

Paulo Freire

1921-1997

In Freires Ansatz findet sich eine erweiterte Bedeutung von Erziehung und Bildungsarbeit, mit der die ganze Bandbreite der sozialen Beziehungen erfasst wird; dies ermöglicht uns, unser Verständnis von Pädagogik perspektivisch auszuweiten zu einem Projekt der Befreiung, das sich nicht nur auf die individuellen Erziehungsfälle, sondern auch auf die Gesellschaft insgesamt bezieht.


Leben

Paulo Freire wurde am 19.9.1921 in Recife, im Nordosten Brasiliens, in einer Mittelschichtfamilie geboren, die im Rahmen der Weltwirtschaftskrise die Probleme aller, d.h. Hunger und Niedergang, erlitt. Er studierte am Heimatort Rechtswissenschaft, schloss 1959 mit der Promotion ab und arbeitete als Rechtsanwalt, wobei er sich bereits zu dieser Zeit mit Fragen der Erwachsenenbildung beschäftigte. 1961 begann er auf Vorschlag des Bürgermeisters von Recife, sich mit dem Problem der Alphabetisierung zu beschäftigen, und entwickelte einen Ansatz, den er sukzessive auf weitere Gebiete Brasiliens – bis hin zur gesamtstaatlichen Ebene – übertrug. Nach dem rechten Militärputsch wurde er 1964 für 70 Tage ins Gefängnis gesteckt und dann gezwungen, ins Exil zu gehen. Während dieser Zeit lebte er in Chile (wo er sein wichtigstes Werk, die PÄDAGOGIK DER UNTERDRÜCKTEN, schrieb), in den USA und in der Schweiz (beim Weltkirchenrat), außerdem koordinierte er Alphabetisierungsprojekte in Tansania, Guinea-Bissao, Angola, Mosambik, Sao Tome und Principe. 1980 kehrte er nach Brasilien zurück, um dort an Universitäten zu unterrichten und später in Sao Paulo als Erzziehungsminister zu arbeiten. Paulo Freire starb am 2. Mai 1997 im Alter von 75 Jahren.


Werk

Freires Verständnis von Erziehung und Bildung als eines wesentlich politischen Projektes, das auf die Transformation der Gesellschaft gerichtet ist, hat pädagogische und soziale Bewegungen in der ganzen Welt beeinflusst ... Seine pädagogische Konzeption geht von einer tief empfundenen Ehrfurcht und Demut vor dem armen und unterdrückten Volk aus und ist vom Respekt vor seinem "gesunden Menschenverstand" getragen, der Freires Auffassung nach ein nicht weniger wichtiges Wissen begründet als das wissenschaftliche Wissen des Professionellen. Solche Bescheidenheit verkörpert das gegenseitige Vertrauen und der Austausch zwischen dem Erzieher, der im Lehren lernt, und dem Schüler, der ebenfalls lehrt. Auf diese Weise gerät der Bildungsprozeß zu einer "Zwiesprache" zwischen den an ihr Beteiligten in einem wechselseitig anregenden Dialog und ist damit eine Alternative zum traditionell einseitigen Handeln des einen zum Wohle des anderen...Der Lehrer soll nicht neutral sein, sondern in die pädagogische Situation dergestalt eingreifen, dass er dem Schüler hilft, seine Sichtweisen von der Welt, die ihn lähmen, zu überwinden, und ihm kritisches Denken beibringt.


Gegen das "Bankiers-Konzept der Erziehung"

Freire kritisierte die vorherrschenden Erziehungsformen, weil sie den zu Erziehenden den Status von passiven Objekten zuweisen, die von den Lehrern zu bearbeiten (traktieren) sind. In dieser traditionellen Form von Erziehung ist es die Aufgabe des Lehrers, die Informationseinheiten, die Bildung konstituieren, in den Köpfen der Schüler zu deponieren, die – in völliger Verkennung des wahren Sachverhalts – als leer erachtet werden.

Freire bezeichnete dies als das "Bankiers-Konzept" der Erziehung. Ziel des Bankiers-Konzeptes ist es, die Menschen durch Konditionierung in die herrschenden Machtzusammenhänge einzupassen, damit sie akzeptieren, dass nur die Unterdrücker über das Eigentum an Sinn und historischer Gestaltungskraft verfügen... Im Bankiers-Modell von Erziehung und Bildung wird das Wissen als Gabe (analog zur Spareinlage) begriffen, die dem Schüler vom Lehrer überreicht wird. Diese falsche Generosität seitens der Unterdrücker, die offensichtlich darauf zielt, die Unterdrückten zu integrieren und zuzurichten, ist in Wirklichkeit das entscheidende Medium von Herrschaft.


Die problemsetzende Methode Freires

Gegen das Bankiers-Modell setzte Freire eine dialogische, problemsetzende Methode der Erziehung und Bildung. In diesem Modell werden Lehrer und Schüler gemeinsam die Erforscher von Wissen und Welt. Statt den Schülern zu suggerieren, ihre gesellschaftliche Lage sei durch Natur- oder Vernunftgründe vorherbestimmt, wie es das Bankiers-Modell tut, lädt Freires problemsetzende Erziehung bzw. Bildung die Unterdrückten dazu ein, ihre Wirklichkeit als ein "Problem" zu untersuchen, das zu lösen ist. Inhalt wie Gehalt dieser Erziehung/Bildung können nicht durch die Erfahrung des Erziehers im voraus bestimmt werden, sondern müssen aus der gelebten Realität des zu Erziehenden erwachsen. Es ist auch nicht die Aufgabe des Erziehers, Antworten auf die Probleme zu geben, sondern den Schülern zu helfen, eine Form des kritischen Denkens (oder der Bewusstseinsbildung) zu erreichen, die es ihnen ermöglicht, die Gesellschaft als veränderbar aufzufassen. Wenn es den Schülern möglich wird, die Welt als eine transformierbare Grenzsituation zu erfahren, statt sie zu einem unvorstellbaren und unentrinnbaren Geschick zu verdinglichen, vermögen sie es, sich eine neue und andere Wirklichkeit vorzustellen...

Dies setzt voraus, dass die Fetischisierung des Wissens als eines elitären Wissens überwunden wird zugunsten eines Wissens, zu dem Schüler wie Lehrer vermittels ihrer gemeinsame hergestellten Beziehung gemeinsam gelangen. Menschliche Beziehungen sind, mit anderen Worten, selbst schon pädagogisch gehaltvoll. Dieses produktive Verständnis von Dialog, Kommunikation und sogar (pädagogischem) Eros wird in Freires Rede von der "bewaffneten Liebe" deutlich, die mehr als ein guter Wille oder bloßes Gefühl sein will, sondern vielmehr die Bereitschaft des Lehrers enthält, in den gemeinsamen Kampf zur Überwindung des bestehenden Unterdrückungssystems einzutreten.

Die konkrete Grundlage von Freires dialogischem Erziehungs- und Bildungssystem stellt der Kulturkreis dar, in dem Schüler und pädagogischer Koordinator miteinander Leitmotive abhandeln, die im leben der Schüler von Bedeutung sind. Diese Themen, die mit Natur, Kultur, Arbeit und sozialen Beziehungen zu tun haben, werden durch das gemeinsame Forschen von Lehrern und Schülern erst entdeckt bzw. ermittelt. Sie bringen in einer offenen – anstatt der üblichen propagandistischen – Manier die grundsätzlichen Widersprüche die grundsätzlichen Widersprüche in der Welt der Schüler zum Austausch. Danach werden die Themen in kodifizierter Gestalt (üblicherweise visuelle Repräsentationen) vorgestellt und als Ausgangspunkt für den Dialog... genommen. Indem die Schüler die Repräsentationen entschlüsseln, erkennen sie sie als Situationen, in die sie selbst als Subjekte verwickelt sind...Obwohl sich dieses Kodifizierungssystem bei der Förderung der Erwachsenen-Alphabetisierung als sehr erfolgreich erwies, hat Freire immer wieder gemahnt, es nicht mechanisch anzuwenden, sondern als eine Methode der Bewusstseinsschaffung und –förderung... Der Lese- und Schreibfähigkeit kommt somit die Bedeutung einer "Selbsttransformation" zu, die eine Einstellung zur Einmischung hervorbringt. Alphabetisierungsprogramme, die Teile von Freires Methode übernehmen, aber die Politisierung – nämlich des Verständnis der Welt als einer zu transformierenden Grenzsituation – vernachlässigen, zerstören und verkehren die Alphabetisierungsbemühung. Für Freire hat echte Bildung stets eine "Praxis der Freiheit" statt eine entfremdende Einimpfung von Fertigkeiten zu sein.

Seine Bildungstheorie stellt keine einfach Methode, sondern einen gestuften Weg zu politischer Bewusstseinsbildung dar. Die Herrschaft weniger Menschen über die Mehrheit ist seiner Ansicht nach zu überwinden, damit die Humanisierung aller stattfinden kann. Autoritäre Erziehungsformen behindern die menschliche Befreiung, indem sie die Wirklichkeitsauffassung der Unterdrücker und ihre materiellen Privilegien verstärken.


Praxis – Prozess von Aktion und Reflexion

Das Mittel zu solcher Befreiung besteht in einer Praxis oder einem Prozess von Aktion und Reflexion, der die Realitäten benennt und zugleich darauf gerichtet ist, sie zu verändern...

Diese dialektische Einheit bringt seine Formulierung zum Ausdruck: "Ein wahres Wort auszusprechen bedeutet, die Welt zu verändern."

Die pädagogische Arbeit Freires stellt auch den Versuch eines großen politischen Denkers dar, sich eine realisierbare und demokratische sozialistische Revolution vorzustellen. Die Aufmerksamkeit, die wir Freires Beitrag auf pädagogischem Gebiet zukommen lassen, sollte den Anteil seines Werkes an der revolutionären antiimperialistischen Anstrengung der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts nicht verdecken...So ist die Befreiungspädagogik Freires vom ersten Augenblick an damit verbunden, innerhalb dieser Spaltung des sozialen Feldes Partei zu ergreifen, eine Wahl zu treffen, ein Bündnis einzugehen, das eigene Los mit dem der Unterdrückten zu verknüpfen...Die Unterdrückten werden nicht durch irgendwelche undefinierbaren, nebulösen, abstrakten oder ungreifbaren Verhältnisse ausgebeutet, überrollt und schließlich zerstört, sondern durch die sozialen Beziehungen, die die Menschen unter die Herrschaft des Kapitals zwingen...Freire lehnte elitäre und sektiererische Ansichten vom Sozialismus ab; er favorisierte dagegen eine Revolution "von unten", die auf der Arbeit autonomer Organisationen des Volkes basiert...

Die Originalität Freires besteht in seiner ...Kunstfertigkeit, verschiedene philosophische und politische Traditionen zu integrieren und ihren pädagogischen Bezug herauszuarbeiten. So inspirierte die Hegelsche Dialektik von Herrschaft und Knechtschaft sein Bestreben, die Bildung von autoritären Formen zu befreien, so ermöglichte der Existentialismus Sartres und Bubers seine Beschreibung des von den Unterdrückten selbst initiierten Transformationsprozesses in einen Raum radikaler Intersubjektivität; so beeinflusste der historische Materialismus von Marx seine Auffassung von der Historizität gesellschaftlicher Beziehungen, so erinnert Freires Hervorhebung der Liebe als einer notwendigen Voraussetzung echter Bildung an die radikale Tradition der christlichen Theologie...Die menschliche Einbildungskraft... ist nach Freires Meinung zu einer radikalen und produktiven Vision fähig, die die Grenzen des Gegebenen überwindet...In dieser genuinen Fähigkeit besteht unsere Menschlichkeit, unser Menschsein, daher kann sie nicht die Gabe des Lehrers an den Schüler sein, sondern Lehrer-Schüler und Schüler-Lehrer müssen zusammenarbeiten, um die Phantasie anzuregen, Vorstellungen von einer neuen Gesellschaft zu erzeugen.

Kritik

Seit ihrem ersten Bekanntwerden ist Freires Bildungstheorie von verschiedenen Seiten kritisiert worden. So waren Konservative, die einem revolutionären Projekt nicht wohl gesonnen sind, schnell dabei, es als demagogisch und utopisch abzutun... Es gab Marxisten, denen die christlichen Einflüsse in seiner Arbeit nicht gefielen und die seine Konzipierung des Alltagsbewusstseins für zu idealistisch hielten...

Durch seine... Abwendung von den... Kammern des offiziellen Wissens und seine Zuwendung zum offenen Raum von Menschlichkeit, Geschichtlichkeit und Poesie... weist Freire LehrerInnen und anderen, die sich angesichts der wachsenden Inhumanität der uns einschließenden gesellschaftlichen Ordnung verweigern, den Weg. An diesen Raum zu glauben, auch wenn ständig versucht wird, ihn zu verschließen, zu verdunkeln, zu verschütten oder aus der Welt zu schaffen, bleibt die Pflicht von wahrhaft fortschrittlich orientierten LehrerInnen. Freires Werk bleibt unverzichtbar, wenn es darum geht, das Konzept einer demokratischen und befreienden Erziehung und Bildung zu entwickeln...


Peter McLaren und Noah de Lissovoy, aus dem Amerikanischen von Erika Richter

In: Tenorth H.E. Klassiker der Pädagogik, Band 2, München 2003 (gekürzter Artikel)


Kurzportrait und Chronologie

Geboren am 19.9.1921 in Recife (Nordosten Brasilien) unter dem Namen Paulo Reglus Neves Freire

1928

aufgrund der Weltwirtschaftskrise, Umzug mit der Familie nach Joboatao. Als Paulo Freire 13 Jahre alt war, starb der Vater und für eine ganze Reihe von Jahren regierte der Hunger in Paulo Freires Leben. "In der Schule konnte ich das Vierer-einmaleins nicht, kannte auch nicht die Hauptstadt Englands, ich kannte aber die Geographie des Hungers..." Mit grosser Anstrengung gelang es ihm, ein Jurastudium zu absolvieren.

1944

Heirat mit Elza Maria Oliviera, einer Grundschullehrerin. Von ihr wurde er angeregt, sich intensiv mit erziehungswissenschaftlichen Fragen auseinanderzusetzen.

1946

Arbeit als Lehrer für portugiesische Sprache in der Abteilung für Erziehung und Kultur im Sozialdienst der Industrie, später dort als Direktor für den Bundesstaat Pernambuco tätig.

1956

verliess Freire sein Amt im Sozialdienst der Industrie teils wegen Unstimmigkeiten mit der Unternehmensseite bezüglich seiner demokratischen Arbeitsmethode, teils weil ihm die Grenzen der assistenzialistischen Hilfe bewusst wurde.

1961

startete eine von Freire konzipierte Alphabetisierungskampagne in Brasilien auf nationaler Basis. Der damalige Präsident Goulart ordnete an, dass mit Freire's Methode in "20.000 Kulturzirkeln" 2 Millionen Erwachsene alphabetisiert werden sollten..

1964

Staatsstreich durch die Militärs, Freire musste 75 Tage ins Gefängnis und dann ins Exil. In der Folgezeit arbeitete er u.a. 4 Jahre in Chile (Agrarministerium, Fortbildung für landlose Baürn) und ein Jahr an der Universität in Harvard (USA) als Gastprofessor.

1971

übernahm er beim Oekumenischen Rat der Kirchen in Genf die Stelle als Berater für Bildungsfragen in den "Entwicklungsländern". In dieser Zeit war er in vielen Ländern (spez. in Sao Tomé und Principe, Mozambik, Angola, Nicaragua) tätig.

1980

nach der Demokratisierung in Brasilien die Erlaubnis zur Rückkehr aus dem Exil. Dort Mitarbeit u.a. im Rahmen der Erzdioezese Sao Paulo (Kardinal Arns), an der Kath. Universität (PUC), sowie ab 1989 als Stadtrat für Erziehungsangelegenheiten in Sao Paulo.

1991

trat Freire von diesem Posten zurück, um wieder mehr im Bereich der wissenschaftlichen und beraterischen Arbeit tätig zu sein.

1994

hatten wir Paulo Freire und seine zweite Frau, die Historikerin Ana Maria Freire in München zu Gast. Zu seinem zentralen Thema "Verantwortung in der dritten und ersten Welt übernehmen":*


"Die an mich oft gerichtete Frage oder Feststellung lautet:" "Paulo, Du bist ja schon ein interessanter Mensch. Auch Dein Diskurs ist schoen, aber Du sprichst nicht von unserer Wirklichkeit. Wir, in der Ersten Welt, haben nichts mit dieser Bewusstseinsbildung zu tun." Hinter solchen Feststellungen oder Fragen verbirgt sich in Wirklichkeit die Angst davor, die Dritte Welt in der Ersten Welt zu entdecken.


Es ist die Angst davor, die Verantwortung für die ungerechte Weltordnung zu übernehmen, "anzunehmen". Es ist das Schuldgefühl, Erst- Weltler zu sein. Dieses Schuldgefühl sollte abgelegt, am besten auf den Müllhaufen geworfen werden. Keine Angst vor der Freiheit zu haben, das ist notwendig. Ich spreche von Pädagogik, der Wissenschaft der Erkenntnis, von Politik etc. und ich glaube nicht, dass alle diese Bereiche, über die ich spreche, dass es diese Bereiche in der "1. Welt" nicht geben soll.

Ich spreche genau von dieser pädagogischen Beziehung zwischen den Menschen und ich glaube nicht, dass diese pädagogische Beziehung zwischen den Menschen der "1. Welt" nicht stattfindet. Das ist also die "Angst vor der Freiheit" von den "Erst-WeltlerInnen". Ich sage Euch aber auch, dass ich Angst vor der Freiheit habe. Was ich aber wirklich versuche, in meinem Leben zu praktizieren, ist: die Freiheit zu lieben und nicht Angst vor ihr zu haben."

Paulo Freire hat von über 20 Universitäten die Ehrendoktorwürde erhalten.

Seine Bücher sind in 18 Sprachen weltweit übersetzt. Die wichtigsten Bücher, in denen er die Grundelemente seiner befreienden Pädagogik darlegte, waren:


Pädagogik der Unterdrückten, Reinbeck, 1973 -Manuskript 1968.

Pädagogik der Solidarität - Für eine Entwicklungshilfe im Dialog, Wuppertal, 1974

Erziehung als Praxis der Freiheit, Reinbeck 1977 (in Brasilien 1965 erschienen)

Dialog als Prinzip - Erwachsenenalphabetisierung in Guinea-Bissau, Wuppertal, 1980.

"Der Lehrer ist Politiker und Künstler - Neue Texte zur befreienden Bildungsarbeit", Reinbeck 1981

1994 erschien das Buch "Pädagogik der Hoffnung" in Englisch und Portugiesisch, eine engagierte Anwendung seiner Erziehungskonzeption auf die 90er Jahre.

Sein letztes Buch "Im Schatten des Mangobaumes" (Rio 1995) kann als Kritik am neoliberalen Wirtschaftsmodell gelesen werden. In ihm entwickelt er die Aufgaben des dialog-orientierten progressiven Pädagogen in postmodernen Zeiten.

Die Ideen Paulo Freire's wurden hier durch die 1977 gegründete Europäische Arbeitsgruppe Bewusstseinsbildung verbreitet, die sieben Mitgliedsgruppen umfasste: Arbeitsgemeinschaft Sozialpolitischer Arbeitskreise AG_SPAK München, Centro di Animazione per 'l Autogestione Populare (Palermo / Italien), Friedensuniversität Namur (Belgien) Jugendakademie Walberberg (Bornheim- Koeln) Institut Oecuméniqü pour le Dévelopement des Peuples (Paris), Mouvement d' Animation de Base / International Ontmoetingscentrum (Hasselt / Belgien) und die Escüla Professionale Emigrati / Berufsschule der Emigrierten (Zürich).

Aus diesem Dachverband ist Anfang der neunziger Jahre in Deutschland und Belgien die Paulo-Freire-Gesellschaft e.V. München entstanden, die sich der Aufgabe stellt, die theoretischen Grundlagen der Freire-Pädagogik zu erforschen und die Praktiker mit den Forschern in Verbindung zu bringen. Zahllose Fachtagungen wurden in den verschiedenen europäischen Ländern durchgeführt.

Vor allem in Latein- und Mittelamerika hat Paulo Freire grundlegende Veränderungen in der Erwachsenenbildung bewirkt, aber auch in Afrika bildet sein Ansatz die Grundlage der bildungspolitischen Basisarbeit. Freire selbst hat längere Zeit in den ehemaligen portugiesischen Kolonien (Angola, Mozambik, Sao Tome und Principe) gearbeitet und dort einen entscheidenden Einfluss auf das Bildungssystem ausgeübt.

Heute werden die anthropologischen und pädagogischen Prinzipien der Freire-Pädagogik in Schwarzafrika in zahllosen Bildungsorganisationen angewandt. Das letzte Heft unserer Zeitschrift für befreiende Pädagogik ist diesen Projekten gewidmet.

Für Juli dieses Jahres war Paulo Freire von der UNESCO zum Weltkongress der Erwachsenenbildung nach Hamburg eingeladen, die Paulo-Freire- Gesellschaft plante eine Tagung in Loccum und Treffen mit ihm in verschiedenen Städten. Ein Sammelband mit Berichten aus der Arbeit in unseren europäischen Situationen ist für Sommer geplant. Die Universität Oldenburg wollte ihm die Ehrendoktorwürde verleihen.

Für das Wintersemester '97 hatte ihn die Harvard-Universität zur Entwicklung einer "Pädagogik für das 21. Jahrhundert" eingeladen.

ein weiterer Nachruf und Hintergründe wie "Kultur des Schweigens an der Universität": eineweltnetz.org/394.0.html (404 am 080310 dz)

Vorstand der Paulo-Freire-Gesellschaft: Fritz_Letsch (München), Prof. Dr. Manfred Peters (Namur), Heinz Schulze (München) Dr. Ilse Schimpf-Herken, Berlin (u.a.) info@paulo-freire-ges.de


Literatur

Freire, Paulo: Pädagogik der Unterdrückten. Bildung als Praxis der Freiheit, Reinbek Hamburg, 1973

Freire, Paulo: Erziehung als Praxis der Freiheit, Stuttgart-Berlin, 1974 a (Kreuz-Verlag)

Freire, Paulo: Pädagogik der Solidarität - für eine Entwicklungshilfe im Dialog, in: "Reihe friedenspolitische Konsequenzen", Bd. 2, hrsg. von K. Lefringhausen, J. Rau u. H. G. Schmidt Wuppertal, 1974 b (Hammer)

Freire, Paulo: Erziehung als Praxis der Freiheit, Beispiele zur Pädagogik der Unterdrückten, Reinbek bei Hamburg, 1980 (1977) (Rowohlt)

Freire, Paulo: Der Lehrer ist Politiker und Künstler, Neue Texte zur befreienden Bildungsarbeit, Reinbek bei Hamburg, 1981 (Rowohlt)


Freire, Paulo; Betto Frei: Schule, die Leben heißt, Befreiungstheologie Konkret. Ein Gespräch München, 1986 (Kösel)

Bendit / Heimbuchner: Von Paulo Freire lernen, Ein neuer Ansatz für Pädagogik und Sozialarbeit, Juventa München 1977

Joachim Dabisch, Heinz Schulze (Hg.): Befreiung und Menschlichkeit. Texte zu Paulo Freire. München 1991 Mayo, Peter: Politische Bildung bei Antonio Gramsci und Paulo Freire, Perspektiven einer verändernden Praxis, Argument Sonderband Hamburg 2006

Schimpf-Herken, Ilse: Erziehung zur Befreiung. Paulo Freire und die Erwachsenenbildung in Lateinamerika Berlin, SPV, 1979 ISBN 3-88227-042-X AG SPAK Bücher München

Knauth, Schroeder (Hrsg.): Über Befreiung. Befreiungspädagogik, Befreiungsphilosophie und Befreiungstheologie im Dialog Ein Lesebuch für Einsteiger; ein Arbeitsbuch zur Reflexion über unterschiedliche befreiungsorientierte Praxen; ein Forschungsbericht.

Befreiung und interkultureller Dialog

Band I: Paulo Freire, Unterdrückung und Befreiung. Herausgegeben von Peter Schreiner, Norbert Mette, Dirk Oesselmann, Dieter Kinkelbur, in Kooperation mit Armin Bernhard. Waxmann: Münster 2007. 136 Seiten, 9,90 euro (Texte aus dem Zeitraum 1970-1990).

Band II: Paulo Freire, Bildung und Hoffnung. Herausgegeben von Peter Schreiner, Norbert Mette, Dirk Oesselmann, Dieter Kinkelbur, in Kooperation mit Armin Bernhard. Waxmann: Münster 2007. 154 Seiten, 9,90 euro (Texte aus dem Zeitraum 1991-1997).

Band III: Paulo Freire, Pädagogik der Autonomie. Herausgegeben von Peter Schreiner, Norbert Mette, Dirk Oesselmann, Dieter Kinkelbur, in Kooperation mit Armin Bernhard. Waxmann: Münster 2007 (im Erscheinen), 9,90 euro.


Paulo Freire von Bianca Friesenbichler, EDUCON

Bianca Friesenbichler (2007): Paulo Freire. In: Magazin erwachsenenbildung.at. Das Fachmedium für Forschung, Praxis und Diskurs. Ausgabe 1. Überarbeitete Fassung.

Online im Internet: http://www.erwachsenenbildung.at/magazin/meb07-1.pdf. ISSN 1993-6818.

Erscheinungsort: Wien. 13.045 Zeichen. Veröffentlicht Juli 2007.

Schlagworte: Paulo Freire, Biographie, Befreiungspädagogik, Bankiers-Konzept, Problemformulierende Bildungsarbeit, Alphabetisierung, Literalisierung

Abstract Paulo Freire (1921-1997), ein brasilianischer Humanist, Volkspädagoge und Initiator zahlreicher Alphabetisierungsbewegungen, widmete sein Leben der Alphabetisierung und „Befreiung“ der unterdrückten Bevölkerung Lateinamerikas.

Freires Versuch der „Humanisierung“ und „Befreiung“ des Volkes bedurfte einer besonderen pädagogischen Methodik: Seine „Befreiungspädagogik“ zeichnet sich im Wesentlichen durch eine Gleichstellung der Lehrenden mit den Lernenden aus und handelt (damaligen und nach wie vor aktuellen) traditionellen, hierarchischen Lehrmethoden zuwider.

Auf Grund der humanen Züge seines pädagogischen Konzeptes sind Freires Theorie und Praxis nicht nur in Lateinamerika, sondern auch in unseren Breitengraden bis heute hoch bedeutend.

https://www.pedocs.de/volltexte/2013/7567/pdf/Erwachsenenbildung_1_2007_Friesenbichler_Paulo_Freire.pdf

240221

Links

  • Blog der Paulo-Freire-Gesellschaft e.V. paulo-freire-gesellschaft.blog.de ... 404 am 120517


2020 Heft 155 : Dialogisches Handeln und Forschen - Mit Freire die neoliberalen Verwüstungen überwinden Titelseite Heft 155 Mit Beiträgen von Philipp Andrae, Heinz-Peter Gerhardt, Dietlinde Gipser, Timm Kunstreich, Arnold Köpcke-Duttler, Ronald Lutz, Tilman Lutz, Jutta Lütjen, Michael May, Dirk Oesselmann, Manfred Peters, Marcel Schmidt, Tarkan Tek, Wolfgang Völker, Joachim Weber, Heiner Zillmer März 2020 144 Seiten EUR 15,00 / SFr ISBN 3-89691-025-7 Inhalt | Editorial | Abstracts http://www.widersprueche-zeitschrift.de

The Paulo and Nita Freire International Project for Critical Pedagogy

> <http://coforum.de/index.php?7323> > > The Freire Project is dedicated to building an international critical > community which works to promote social justice in a variety of cultural > contexts. We are committed to conducting and sharing critical research > in social, political, and educational locations...


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Freire Tagung, Berlin, 19.-21.10.2007

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Freire Tagung, Hamburg, 9.-11.11.2018

Mit dem Werk des brasilianischen Pädagogen Paulo Freire (1921-1997) beschäftigt sich eine Tagung der Fakultät für Erziehungswissenschaft an der Universität Hamburg. Freire gilt als Ikone der sogenannten kritischen Pädagogik. Auf dem „Paulo Freire Kongress 2018“ geht es um eine Bestandsaufnahme seines Wirkens in verschiedenen Ländern und Arbeitsbereichen, das bis heute weltweite Anerkennung und Resonanz erfährt.

Vom 9. bis 11. November soll einem breitem Fachpublikum und der öffentlichen Debatte die Vielfalt der Anwendungsfelder seiner Theorien präsentiert werden. Dazu sind verschiedene Foren geplant. In ganztägigen Workshops werden darüber hinaus praktische Umsetzungen von Freires Ansätzen in den Bereichen Kunsttherapie und Theaterpädagogik angeboten. Was es mit der Pädagogik von Freire auf sich hat und warum sein Werk heute noch wichtig ist, erläutert Erziehungswissenschaftler Prof. Dr. Joachim Schroeder.

Wofür steht die Pädagogik von Paulo Freire?

Bildung wird laut Freire konsequent in Bezug auf Machtverhältnisse gedacht: In der Lehrer-Schüler-Beziehung, in den Geschlechterverhältnissen, zwischen relativ Reichen und absolut Armen. Auch im Weltsystem zwischen den Ländern des voll entwickelten Kapitalismus und denen im so genannten „globalen Süden“ herrschen ökonomische, soziale und kulturelle Beziehungen der Dominanz, Hegemonie, Asymmetrie und Ungerechtigkeit, die sich – so Freire – über die Bildungssysteme permanent reproduzieren. Bildungsarbeit nach Freire versucht, diese Strukturen der Macht im Alltag der Menschen zu „entschlüsseln“ sowie in und durch Bildungsarbeit Strategien zu entwickeln, wie solche Machtverhältnisse aufgebrochen werden können.

Freire-Pädagogik kritisiert Herrschaft, Ausbeutung und Diskriminierung, macht die „Praxis der Unterdrückung“ zum Gegenstand der Bildungsarbeit, und entwirft gleichzeitig Utopien einer „befreienden“ Pädagogik, die gegen diese alltägliche und strukturelle Ungleichheit gerichtet ist. Freire selbst hat die Theorie und Umsetzung seiner Pädagogik vor allem in der Alphabetisierungsarbeit entwickelt, aber sie ist auch in vielen anderen Handlungsfeldern, insbesondere der Erwachsenenbildung und Sozialarbeit, weltweit und intensiv rezipiert worden.

Welche Impulse kann das Werk von Paulo Freire der heutigen Pädagogik geben?

Machtverhältnisse verändern sich. Deshalb müssen sie immer wieder neu benannt und kritisiert werden. Jede Gesellschaft hat zudem spezifische Machtverhältnisse: So ist es ein Unterschied, ob man in einem Land lebt, das mal Kolonialmacht war, oder in einem Staat, in dem gegenwärtig eine Diktatur herrscht. Macht ist mal deutlich sichtbar, mal verschleiert; mal öffentlich debattiert, mal ist ein Sprechen darüber tabuisiert. Diese „Kulturen des Schweigens“, wie Freire das nannte, gilt es aufzudecken. Freires Ansatz zeigt methodische Möglichkeiten auf, wie dies in pädagogischen Settings gelingen kann. Auch seine Betonung des „herrschaftsfreien Dialogs“ – zwischen Menschen, Gruppen, Kulturen und Staaten – fordert gerade aktuell die Pädagogik und Bildungsarbeit sehr, da unsere Gesellschaft auch heute marginalisiert, stigmatisiert und ausgegrenzt, wie ich in meiner Forschung zur Behindertenpädagogik feststelle.

Was ist das Ziel der Tagung?

Seit Mitte der 1970er Jahre finden in Deutschland – von Zeit zu Zeit – Tagungen statt, die sich mit der Freire-Pädagogik befassen. Freire selbst hatte teilweise persönlich an solchen Treffen teilgenommen. Auch in Hamburg gab es mehrere Veranstaltungen. Die diesjährige Tagung reiht sich somit ein in die Zielsetzungen der vorherigen Kongresse, in denen es jeweils um die fachliche Selbstvergewisserung zum Stand und den aktuellen Herausforderungen einer Freire-Pädagogik geht. Dieses Mal werden beispielsweise Machtverhältnisse durch Digitalisierung diskutiert. Ebenso sollen Praxiserfahrungen präsentiert und reflektiert werden, die in den unterschiedlichsten Bildungseinrichtungen und auch in der Kultur- und Therapiearbeit mit der Freire-Pädagogik gemacht werden.

Paulo Freire Kongress 2018: https://www.freirehamburg2018.de/

240221 via site https://www.uni-hamburg.de/newsroom/campus/2018/1109-paulo-freire-kongress.html

Paulo Freire-Gesellschaft, Berlin

http://www.pfg-berlin.org/ und arbeitet dort auch zusammen mit dem Institut, http://www.paulofreireberlin.org


27. Mai 2021 - Die ethische Dimension von Bildungspraxis

Mit Christian Lange====

Der Artikel setzt sich kritisch mit dem Konzept der „Wertebildung“ auseinander und geht der Frage nach, wie Werte entstehen und in welchen Hierarchien sie zueinander stehen und welche Bedeutung Werte und Wertevermittlung im pädagogischen Wirken haben (können).


24. Juni 2021 - Gender, Diversität und Erinnern. Beobachtungen zu Intersektionalität in der Erinnerungsarbeit aus Kolumbien und Deutschland

Mit Annette Nana Heidhues ====

Der Artikel wurde in Co-Autorinnenschaft mit Catalina Cruz Betancur aus Kolumbien verfasst. Vor dem Hintergrund verschiedener Erfahrungen der genderorientierten Erinnerungspädagogik setzt sich der Beitrag mit der Bedeutung einer intersektionalen Perspektive in der Bildungs- und Erinnerungsarbeit auseinander. Er geht der Frage nach, wie es gelingen kann, über eine reine Genderperspektive hinaus die Überschneidung von Ausschluss- und Diskriminierungsmechanismen zu erfassen und in die kritische Bildungsarbeit zu integrieren – und dabei auch die eigene Rolle und Positionierung im Rahmen gesellschaftlicher Machverhältnisse zu hinterfragen.

Dieser Artikel, der Ansätze aus der kritischen dekolonialen Gender-Theorie und Feminismusdebatte aufgreift, bietet eine Grundlage, um uns einigen Aspekten der oben genannten Unterschiede oder „Brüche“ zwischen den Generationen anzunähern.

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Die Dialog-Reihe wird nach der Sommerpause in den Monaten August bis Dezember 2021 zu weiteren thematischen Schwerpunkten aus dem Band fortgesetzt.

Zum Abschluss der Reihe im Jahr 2021 findet im Dezember eine Dialog-Veranstaltung zum Text „Raupe und Schmetterling. Wege der Veränderung“ von Ilse Schimpf-Herken statt:


7. Dezember 2021, 18 Uhr

„Raupe und Schmetterling. Wege der Veränderung“ – Beitrag von Ilse Schimpf Herken

Vorgestellt und moderiert durch Christian Lange gemeinsam mit weiteren Kolleg:innen aus Paulo Freire Gesellschaft und Paulo Freire Institut

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2022 ist die Fortführung der Reihe mit verschiedenen Autor:innen des Bandes aus Lateinamerika geplant.

100 Jahre Paulo Freire

Internationale Tagung - Universität Salzburg, 14.-16. Oktober 2021

Solidarität in der globalen Gesellschaft. Dialog und Befreiung in einer digitalen Zukunft"

Anlässlich des 100. Geburtstages von Paulo Freire findet von 14.-16. Oktober 2021 die internationale Tagung "100 Jahre Paulo Freire: Solidarität in der globalen Gesellschaft. Dialog und Befreiung in einer digitalen Zukunft" am Fachbereich Erziehungswissenschaften der Universität Salzburg statt.

http://paulofreire100jahre.sbg.ac.at


0606 via mail

...

Call for Papers (NEUE DEADLINE 14.6.2021)

English version below

Paulo Freire war Wegbereiter und Erneuerer zahlreicher gesellschaftlicher Prozesse weltweit. Bekannt wurde er durch sein in zahlreiche Sprachen übersetztes Buch „Pädagogik der Unterdrückten“. Mit der von ihm entwickelten dialogisch-situativen Methode gelang es, innerhalb von 40 Unterrichtsstunden erwachsene Analphabeten zu alphabetisieren. Nach dem brasilianischen Militärputsch wurde er deswegen inhaftiert und später in die Verbannung geschickt. Erst als letzter Exilierter durfte er nach der Re-Demokratisierung Brasiliens in seine Heimat zurückkehren. Seine Impulse für innovative Denkansätze sind vielfältig und nötiger denn je. In unserer Zeit stellen durch Globalisierung und Digitalisierung bedingte globale Transformationen eine Herausforderung für sämtliche Bereiche unseres Lebens dar. Weder eine generelle Ablehnung derartiger Entwicklungen noch ein naiver, unkritischer Fortschrittsglaube können konstruktive Anregungen für eine menschenwürdige Zukunft anbieten.

Anlässlich des 100. Geburtstages von Paulo Freire wollen wir dessen theoretische und methodische Ansätze aufgreifen sowie deren Relevanz vor dem Hintergrund aktueller Themen herausarbeiten. Die Tagung „Solidarität in der globalen Gesellschaft. Dialog und Befreiung in einer digitalen Zukunft“ nimmt sich zur Aufgabe, zentrale Konzepte des weltweit einflussreichen Pädagogen und Gesellschaftswissenschaftler aus Brasilien für einen angemessenen Umgang mit aktuellen Entwicklungen fruchtbar zu machen. Sein dialogisch situativer Ansatz bietet für diese Überlegungen zahlreiche theoretische und praktische Anregungen: Freires Kampf für Gerechtigkeit und Solidarität – und damit gegen Unterdrückung – ist beispielhaft für eine radikale Kritik am bestehenden, postkolonialen neoliberalen System und eröffnet uns neue, die bisherigen Grenzen überschreitende Möglichkeiten. Welche Rolle spielen Solidarität, Dialog und Befreiung in einer globalen und digitalen Zukunft? Inwiefern eignen sich diese Konzepte um aktuelle Entwicklungen in Frage zu stellen? Welche Chancen könnte eine digitalisierte globale Zukunft für ein solidarisches, dialogorientiertes und herrschaftskritisches Miteinander mit sich bringen?


Neben diesen zentralen Fragen eröffnet sich ein breites Spektrum an weiteren Fragestellungen für diese Tagung:

● Was bedeutet Solidarität in einer globalisierten und digitalisierten Weltgesellschaft?

● Welche subjektiven Positionierungen bzw. Einstellungen in der Gesellschaft bestehen aktuell gegenüber Solidarität?

● Inwiefern kann von einer Solidarität mit der Natur gesprochen werden? Inwiefern sind bei Freire Ansätze zu finden, in denen der Begriff der Natur in einer solidarischen Gesellschaft mitgedacht werden kann?

● Wie könnten Lern-/ Bildungsprozesse im Sinne einer Pädagogik der Solidarität gestaltet werden?

● Inwiefern wird kollektives, solidarisches oder gesellschaftsveränderndes Handeln durch aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen unterstützt oder verhindert?

● In welchem Verhältnis stehen in Freires Verständnis Solidarität, Dialog und Befreiung zueinander?

● Wie stellt sich der von Freire gelebte Kampf gegen Unterdrückung und Armut gegenwärtig dar? Welche Rolle spielt hierbei Gewaltfreiheit?

● Welche Mittel der Bewusstseinsbildung auf dem Weg zur mündigen Bürgerin – im Sinne von Freire – sind mit Blick auf die sogenannte digitale Zukunft essenziell? ● Welche Chancen und Risiken birgt die so genannte „digitale Zukunft“ für eine solidarische Bildungspraxis / für einen solidarischen Bildungsbegriff? ● Welchen Stellenwert nehmen Dialog und Befreiung in einer digitalen Zukunft ein? ● Wann wirken digitale Praxen befreiend, wann unterdrückend? ● Welche (weiteren) Aspekte von Freires Theorien können für eine kritisch-reflexive Bildungsforschung und Bildungspraxis in emanzipatorischer Perspektive fruchtbar gemacht werden? ● Welche Impulse gehen von Freires dialogisch-situativem Ansatz aus in die Bereiche Erwachsenenbildung, Schule, Soziale Arbeit und Theologie?

Im Sinne der grundlegenden Ideen der Pädagogik Paulo Freires, hoffen wir für unsere Tagung mit unserem Call for Papers Neugierde und Interesse zu wecken, kreative Ideen anzustoßen und kritisches Denken sowie politisches Handeln zu evozieren. Beiträge Für verschiedene Panels: 15–20 Minuten je Paper. Abstracts mit Titel, Namen der Autorinnen und Zusammenfassung (max. 200 Wörter) können in deutscher oder englischer Sprache eingereicht werden.

Bitte senden Sie diese bis zum 14. Juni 2021 per E-Mail an: PauloFreire100Jahre@sbg.ac.at

Bei Fragen wenden Sie sich gerne an das Organisationsteam: PauloFreire100Jahre@sbg.ac.at

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Call for Papers

Paulo Freire was a pioneer and innovator of numerous social processes worldwide. He became known through his book „Pedagogy of the Oppressed“, which has been translated into various languages. With the dialogical-situational method he developed, it was possible to alphabetize adult illiterates within 40 hours of instruction. After the Brazilian military coup, he was imprisoned for this and later sent into exile. Only as the last exile was he allowed to return to his homeland after the re-democratization of Brazil.

His impulses for innovative approaches are manifold numerous and more necessary than ever. In our time, global transformations caused by globalization and digitalization pose a challenge for all areas of our lives. Neither a general rejection of such developments nor a naive, uncritical belief in progress can offer constructive suggestions for a humane future.

On the occasion of Paulo Freire’s 100th birthday, we want to take up his theoretical and methodological approaches and work out their relevance against the background of current topics. The conference „Solidarity in the Global Society. Dialogue and Liberation in a Digital Future“ is aimed at making central concepts of the globally influential educator and social scientist from Brazil fruitful for an appropriate handling of current developments. His dialogical-situational approach offers numerous theoretical and practical suggestions for these considerations: Freire’s struggle for justice and solidarity – and thus against oppression – is exemplary for a radical critique of the existing, post-colonial neoliberal system and opens up new possibilities for us that go beyond previous boundaries.

What role do solidarity, dialogue and liberation play in a global and digital future? To what extent are these concepts suitable for questioning current developments? What chances could a digitalised global future bring for a solidary, dialogue-oriented and critical cooperation?

In addition to these central questions, a broad spectrum of further questions opens up for this conference:

What does solidarity mean in a globalised and digitalised world society? Which subjective positions or attitudes in society are currently opposed to solidarity? To what extent can we speak of solidarity with nature? To what extent are Freire’s approaches able to include the concept of nature in a society based on solidarity? How could learning/educational processes be designed in the sense of a pedagogy of solidarity? To what extent is collective, solidarity-based or society-changing action supported or prevented by current social developments? What is the relationship between solidarity, dialogue and freedom in Freire’s understanding? How does Freire’s struggle against oppression and poverty present itself? What role does non-violence play in this? What means of raising awareness on the way to becoming a responsible citizen – in the sense of Freire – are essential in view of the so-called digital future? What opportunities and risks does the so-called „digital future“ hold for a solidary educational practice/for a solidary educational concept? What significance do dialogue and liberation have in a digital future? When do digital practices have a liberating effect, when do they have a suppressive effect? Which (further) aspects of Freire’s theories can be made fruitful for a critically reflective educational research and educational practice in emancipatory perspectives? What impulses do Freire’s dialogical-situational approach give to adult education, school, social work and theology? In the spirit of the fundamental ideas of Paulo Freire’s pedagogy, we hope that our Call for Papers will arouse curiosity and interest, trigger creative ideas and evoke critical thinking and political action.

Contributions

For different panels: 15-20 minutes per paper.

Abstracts with title, names of authors and abstract (max. 200 words) can be submitted in German or English. Please send them by e-mail until 14 June 2021

PauloFreire100Jahre@sbg.ac.at

If you have any questions, please contact the organization team:

PauloFreire100Jahre@sbg.ac.at

Paulo Freire Zentrum, Wien

für transdisziplinäre Entwicklungsforschung und -bildung Berggasse 7 A-1090 Wien www.pfz.at



Paulo Freires Pädagogik der Befreiung: Bildung und Revolution

Diskussion / Vortrag 24.11.2011 | 19:30 Uhr bis 21:30 Uhr Neue Universität, Heidelberg Mit Prof. Gerhard Stepelfeldt


Paulo Freire (1921-1997) hat die Pädagogik der Befreiung als Theorie und Praxis der Erwachsenen-Alphabetisierung begründet. Diese Pädagogik stützt sich auf die Traditionen der sokratischen Aufklärung und der Theorie von Marx; sie wurde analog zur lateinamerikanischen Theologie der Befreiung entwickelt. Freire hat diese Pädagogik zuerst um 1960 in den ländlichen und städtischen Armutszonen Brasiliens, dann in zahlreichen Ländern Latein­amerikas und schließlich auch in den ehemaligen portugiesischen Kolonien Afrikas praktiziert. Wegen der Übereinstimmungen der Befreiungspädagogik mit der kritischen Theorie der Gesellschaft wurden Freires Werke auch in Europa um 1965/75 rezipiert und gewürdigt.

Die Pädagogik der Befreiung zielt auf eine Aufklärung («Bewusstmachung») über undurchschaute Herrschaftsverhältnisse und deren revolutionäre Ab schaffung. Ein Mensch, hat Freire überlegt, kann nur dann lesen und schrei ben, wenn er gegenständliche Zeichen nicht bloß in Laute zu übersetzen vermag, sondern wenn der das Gelesene und Geschriebene auch begreift. Er muß also, in der Alphabetisierung, sich seiner gesellschaftlichen Welt, die er bislang bewußtlos vorausgesetzt, deren Logik er verinnerlicht hat, durch Auf klärung und eine kritische, weltverändernde Praxis bewußt werden. So ist das Ziel der Alphabetisierung die Bildung von Menschen zu Subjekten, die sich ihrer selbst und ihrer gesellschaftlichen Welt bewußt sind.

Gerhard Stapelfeldt lehrte bis 2009 als Professor am Institut für Soziologie der Universität Hamburg.

Kontakt RLS-Regionalbüro Baden-Württemberg Ludwigstr. 73a 70176 Stuttgart




Paulo Freire and informal education via infed.org== Gadotti, M. (1994) Reading Paulo Freire. His life and work, New York: SUNY Press. Clear presentation of Freire's thinking set in historical context written ... www.infed.org/thinkers/et-freir.htm ... s.a. gadotti via books.de


Paulo Freire Kooperation e.V.

Die Paulo Freire Kooperation e.V. ist ein internationaler Zusammenschluss von Menschen, die sich an den Ideen Paulo Freires orientieren und den Weg einer dialogorientierten Gesellschaft gehen wollen. Dazu bedarf es vieler Meinungen und tatkräftiger Initiative um gemeinsam das Ziel einer humanen und freien Gesellschaft zu erreichen. Willkommen sind alle, die sich auf eine Pädagogik der Hoffnung einlassen möchten und die versuchen befreiende Bildungsarbeit zu realisieren.

1510 via site ... auch via fb

Paulo Freire via Wikipedia

http://de.wikipedia.org/wiki/Paulo_Freire


100 Jahre Paulo Freire in 2021 :: #paulofreire100

ff.


Freie Schule in Erandique, Honduras

http://www.pfg-berlin.org/projekte/unterstutzung-freie-schule-erandique-honduras/27


s.a.


Was gibt Ihnen die Kraft weiterzumachen?

Ich stand vor der Entscheidung, die neue Schule zu gründen oder so weiter zu machen wie bisher. Die Situation an der staatlichen Schule hat mich krank gemacht. Jetzt fühle ich eine große Zufriedenheit bei der Arbeit und bin wieder gesund geworden. Durch die Freire-Pädagogik habe ich neue Wege in der Bildung kennen gelernt und bin vielen Menschen begegnet, die mir Mut gemacht haben. Und das Netzwerk ehemaliger Stipendiaten des „Procalidad“ – Kurses gibt mir Halt. Die Möglichkeiten an unserer Schule, den Unterricht gemeinsam mit den Schülern zu gestalten, sind sehr schön. Natürlich gibt es staatliche Kontrollen, aber wir haben Freiheiten. Zum Beispiel begehen wir den 15. September, den Tag der Unabhängigkeit, nicht wie der Staat es wünscht – in Uniformen und mit einem militärischen Aufmarsch. Im letzten Jahr haben wir am Feiertag selbst nichts gemacht und einen Tag später gab es einen Umzug in der traditionellen Kleidung der Lenca. Die Idee kam von Schülern und zeigt uns, dass wir auf dem richtigen Weg sind.

https://lateinamerika-nachrichten.de/artikel/aufbegehren-gegen-das-system/


Einladung zur virtuellen Buchvorstellung „Kritische Bildung mit Freire“, 10. März 2021, 18:00-19.30 Uhr

Im Gespräch: Kritische Bildung und Paulo Freire. Dekoloniale Pädagogik und Empowerment. Kritische Männlichkeit und künstlerisch-pädagogische Arbeit.

Einladung zur Buchvorstellung Mittwoch, 10. März 2021, 18:00-19.30 Uhr, online per Zoom

Liebe PFGler*innen,

anlässlich des Erscheinens unseres Buches „Begegnung verändert Gesellschaft. Ansätze einer von Paulo Freire inspirierten Bildungspraxis“ möchten wir euch herzlich zu einem Gespräch mit Autor*innen und Herausgeber*innen einladen. Das Buch ist aus einem langjährigen Austausch zwischen Lateinamerika und Deutschland entstanden. Alle Autor*innen kommen aus der Bildungspraxis und nutzen den Dialog, die kritische Reflexion und das miteinander Lernen für gesellschaftliche Veränderung. In dieser Runde hören wir von Erfahrungen aus der dekolonialen Bildungsarbeit in Kolumbien, von Möglichkeiten, Männlichkeit und Gendervorstellungen mit künstlerisch-pädagogischen Mitteln zu reflektieren und werfen einen Blick auf den partizipativen Entstehungsprozess des Buches.

Die Autor*innen werden außerdem Ausschnitte aus ihren Texten lesen. Im Anschluss besteht die Möglichkeit zum Austausch. Bringt gern eure Fragen und Erfahrungen aus der kritischen Bildungsarbeit und eure Perspektiven auf ein Zusammenleben in Vielfalt mit. Wir freuen uns auf einen Dialog mit euch!

Mitwirkende:

Till Baumann (Autor, Berlin) arbeitet als Theatermacher, unter anderem zum Thema kritische Männlichkeiten, sowie als Coach und Trainer in der kreativen Konfliktbearbeitung.

Marcia Alexandra Santacruz Palacios (Autorin, Cali). Psychologin, Sozialwissenschaftlerin und Aktivistin, beschäftigt sich mit der praktischen Umsetzung dekolonialer und intersektionaler Ansätze in der Pädagogik mit dem Schwerpunkt afrokolumbianische Perspektiven.

Annette Nana Heidhues (Herausgeberin und Autorin, Berlin). Sozialwissenschaftlerin, Journalistin und Trainerin mit den Schwerpunkten Gender, Intersektionalität, kritische Friedens- und Erinnerungsarbeit.

Mariana Schmidt Quintero (Herausgeberin, Bogotá), begleitet als Psychologin und Publizistin biografische Schreibprozesse mit verschiedenen Gruppen, insbesondere im Bereich der Pädagogik und in der Aufarbeitung politischer Gewalterfahrungen.

Moderation: Rosa Hoppe, Paulo Freire Gesellschaft.

Die Veranstaltung findet auf Deutsch statt.

Die Buchvorstellung ist eine Veranstaltung der Paulo Freire Gesellschaft Berlin.

www.pfg-berlin.org

Wir bitten um Anmeldung bis zum 9.3.2021 unter: mail@paulofreireberlin.org

Der Zugangslink wird nach Anmeldung zugeschickt.

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Buchbestellung: Die PFG hat eine begrenzte Zahl von Büchern zum Vorzugspreis von 16,90 EUR vorrätig. Ihr könnt gern über uns Bücher bestellen, solange der Vorrat reicht. Bitte schreibt eine Mail an: mail@paulofreireberlin.org, mit Angabe der Anzahl der Exemplare und wenn es euch per Post geschickt wird, ist es zzgl. Porto.

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Über das Buch: Begegnung verändert Gesellschaft. Ansätze einer von Paulo Freire inspirierten Bildungspraxis. Herausgegeben von Annette Nana Heidhues, Ilse Schimpf-Herken und Mariana Schmidt Quintero. Stuttgart: ibidem Verlag/Paulo Freire Gesellschaft.

Erschienen: Februar 2021.


Bildung kann soziale Spaltungen vertiefen, sie kann aber auch ein Ort für Begegnung, kritische Auseinandersetzung und demokratisches Lernen sein. Paulo Freire stellte in seiner Pädagogik die Erfahrungen und das Wissen der Lernenden in den Mittelpunkt. Er verknüpfte Lernprozesse mit der Analyse und Reflexion herrschender Macht- und Gewaltverhältnisse und hinterfragte den westlich-europäischen Bildungsbegriff grundlegend. Heute bietet uns sein Denken wichtige Anknüpfungspunkte, um Bildung auf der Grundlage von Respekt und einem gleichberechtigten Miteinander neu zu gestalten.

Dieser Sammelband, der aus einem langjährigen Austausch zwischen Lateinamerika und Deutschland entstanden ist, trägt Ansätze und Erfahrungen einer von Freire inspirierten Bildungspraxis zusammen. Die Beitragenden sind Lehrer*innen, Hochschuldozent*innen oder Bildungsforscher*innen, Psycholog*innen, Menschenrechts- und Community-Aktivist*innen. Sie arbeiten in Schulen und Universitäten, in Stadtteilprojekten, in einem Frauengefängnis, in Kooperativen, Gesundheitszentren und Gedenkstätten. Sie sind in kleinbäuerlichen, indigenen und Afro-Organisationen aktiv, engagieren sich in der queer-feministischen Bewegung, in Räumen migrantischer Selbstorganisation, in der psychosozialen Begleitung, der Antidiskriminierungsarbeit und in Empowerment-Prozessen verschiedener Art. In ihren Beiträgen erzählen sie davon, wie die Beschäftigung mit Paulo Freire ihre Arbeit prägt und ihren Blick auf die Gesellschaft und das eigene Leben verändert hat.

Das Buch zeigt lebendige, sich verändernde Prozesse. Es erforscht das emanzipatorische Potenzial einer Freire-inspirierten Bildung, zeigt deren kreative Anwendung und Weiterentwicklung und wirft neue Fragen auf. Es zeichnet persönliche Lern- und Lebenswege nach und berichtet von Hoffnungen und Visionen, die aus der gelebten Praxis entstehen. Nicht zuletzt erzählt es von Vertrauen und Solidarität als Grundlage für gleichberechtigtes Lernen. Vom Mut, eigene Ängste zu überwinden und bestehende Strukturen – in uns selbst und um uns herum – zu hinterfragen. Und von der Kraft, die entsteht, wenn wir gemeinsam mit anderen auf Veränderungen hinwirken.

240221 via mail fritz


Infos von Fritz Letsch in 03.2020

Lieber Karl, herzlichen Dank für deinen Hinweis auf 100 Jahre Paulo Freire, den ich gerne ... ergänzen möchte:

Die Paulo Freire-Gesellschaft ist nach Berlin gezogen, http://www.pfg-berlin.org/ und arbeitet dort auch zusammen mit dem Institut, http://www.paulofreireberlin.org

Ilse Schimpf-Herken: https://vimeo.com/395543940 war im Umfeld der ersten Hamburger Freire-Seminare

Das Schweigen brechen - Ilse Schimpf-Herken war schon früh an sozialer Teilhabe interessiert. Ihre Reiseroute beginnt in Norddeutschland, von wo aus sie nach verschiedenen Auslandserfahrungen zur Unidad Popular nach Chile kommt. Dort arbeitete sie zwei Jahre als Befreiungspädagogin. Interkulturelle Erwachsenenbildung bleibt bis heute ihre Leidenschaft.

in München gibt es noch eine kleine Gruppe, um Oldenburg wohl die Kooperation http://www.freire.de/

http://www.agspak-buecher.de/Paul-Freire-Gesellschaft-Hg-Flavia-Maedche-Kann-Lernen-wirklich-Freude-machen

mit herzlichem Gruß,

Fritz Letsch Steinstr. 9, 81667 München Telefon: manchmal Mo bis Freitag, 10-16h, selten Di und Do in der DAA 089 - 544 302 – 430 Mobil: 0171 9976231 und im Büro ein Fax: 089 – 544 302 - 121 Denisstr. 1b Rgb.

Theaterpädagoge und Gestalttherapeut, politische Bildung nachhaltig zukunftsfähige Lernende Organisation entwickeln Gestalt-Coaching und Forumtheater, Supervision, Zukunftswerkstatt

http://fairmuenchen.de - www.raete-muenchen.de www.eineweltnetz.org community entwickeln Baustelle: fritz-letsch.jimdo.com aktuelle Werkstatt auf www.joker-netz.de twitter:@fritzLetsch und @raeteplenum www.facebook.com/fritz.letsch


260320 via mail


Nachruf auf Ilse-Schimpf-Herken + 6. Januar 2021 ==

Wir trauern um unsere Kollegin, Mitstreiterin und Freundin Ilse-Schimpf-Herken, die am 6. Januar 2021 verstorben ist.

Ilse war eine außergewöhnlich starke, engagiert handelnde und einfühlsame Persönlichkeit.

Bereits seit den 1970er Jahren, anknüpfend an die kritische Sicht auf Gesellschaft und soziale Bedingungen, die sie in ihrer Kindheit von ihrer Oma und ihrem Vater gelernt und in Paris in der Student*innenbewegung vertieft hatte, setzte Ilse sich für Gerechtigkeit und die Sicht- und Hörbarkeit marginalisierter Gruppen in Deutschland und auch in besonderem Maße in Lateinamerika ein. Bald begegnete sie erst in Mexico, dann in Chile dem brasilianischen Befreiungspädagogen Paulo Freire, der ihre Sicht auf die Welt und sie selbst in der Welt entscheidend prägte. Sie arbeitete als Professorin an der TU Berlin und darüber hinaus bis zu ihrem Tod mit seinen Konzepten, Ideen und Praktiken einer dialogische Pädagogik und entwickelte sie u.a. orientiert an Prozessentwicklungen der Lernenden weiter.

Freires Ausgangspunkt für Lernen sind immer die realen Herausforderungen der Menschen, unter starker Berücksichtigung der gesellschaftlichen Bedingungen und Benachteiligung. So ist es kein Wunder, dass sie mit den Pädagog*innen, die am Situationsansatz und an ihm verbundenen Ansätzen in Deutschland und der Welt arbeiteten, in Kontakt kam. In unserem Gründungspräsidenten Jürgen Zimmer und in vielen Kolleg*innen innerhalb der Internationalen Akademie fand sie Partner*innen, die in anderen Arbeitsbereichen an anderen Orten der Welt diese Grundideen teilten.

So kam Ilse Schimpf-Herken 1999 mit dem Paulo-Freire-Institut in unsere Akademie, um gemeinsam mit gleichgesinnten Personen internationale, interdisziplinäre Forschungs- und Praxisentwicklungsprojekte zur Erinnerungs- und Friedenspädagogik zu realisieren.


In vielen Begegnungen in Deutschland und Lateinamerika entwickelte sie mit Studierenden, Lehrer*innen und Erzieher*innen ein einmaliges Fortbildungskonzept.

Hier kombinierte sie u.a. Gedenkstättenpädagogik mit biographischen Reflexionen und dem BoalTheater der Unterdrückten. Sie nutzte so nicht nur die verbale Kommunikation, sondern mit großer Freude für alle Beteiligten vielfältige künstlerische-ästhetische Ausdrucksformen: Tanz, Theater, Musik und bildnerisches Gestalten waren für sie gleichwertige Erkenntnis- und Ausdrucksformen. Ihre Initiativen und Aktionen verhalfen politisch schwer traumatisierten Menschen freier leben, lernen und lehren zu können. Die Originalität und Vielfalt ihrer Ideen und Vorhaben sprengte oft die Möglichkeiten der Bürokratie. So nutzte Ilse bis zuletzt mit außerordentlicher Kreativität und Willenskraft erfolgreich verschiedene Wege, um immer neue Partner*innen zu gewinnen.

Viele Monate, ja Jahre, verbrachte sie in Süd- und Mittelamerika, vor allem in Chile, und sie organisierte Studienreisen, eingebettet in Fortbildungsprogramme für Pädagog*innen aus diesen Ländern hierher, und von deutschen Pädagog*innen dorthin. So erarbeitete sie gemeinsam mit diversen Teams und den Kursteilnehmer*innen lebensweltorientierte Bildungspraktiken jeweils vor Ort. Ihre bildungstheoretischen Ansätze speisten sich aus vielen verschiedenen Quellen. In den letzten Jahren hat sie auch in Moabiter Grundschulen und Kitas an einer inklusiven Bildungspraxis mitgewirkt, in der unter Berücksichtigung ungleicher Bildungschancen und Lebenssituationen der Kinder und Familien gemeinsames Lernen und Leben zum Thema wurde. Ihr Einlassen und ihre Offenheit für den Dialog mit den Menschen konnten wir spüren, wenn sie von den vielen Stunden, die sie mit den Müttern in Elterncafés verbrachte, erzählte, wie sehr ihr Zuhören schon helfen konnte, sie mit kleinen Hilfestellungen Lebenswege zu unterstützen imstande war – und auch, wie sehr die Frauen und Kinder das Zusammensein mit ihr liebten.

Viele Begriffe ließen sich nennen, um Ilses Arbeit zu kennzeichnen: postmoderne, ko-konstruktive, poststrukturalistische, feministische, marxistische, postkoloniale und dekoloniale Theorien. Ilse hätte sich mit keinem dieser Begriffe etikettieren lassen. Sie nutzte solche und weitere Theorien für ihre Dialoge und machte daraus mit ihren Partner*innen etwas Eigenes, das sie nie ihr Eigenes, sondern immer Gemeinsames genannt hätte. Vieles summierte sie als Freire Ansätze, was aber weit über Freire hinaus reichte.

Ihre Publikationen, in denen sie ihre Erkenntnisse und Erfahrungen dokumentiert hat, sind konsequenterweise oft Sammelbände oder gemeinsam mit anderen erarbeitete Artikel. Der letzte von ihr mit herausgegebene Sammelband ist nur wenige Tage vor ihrem Tod fertig geworden - gleichsam ihr Vermächtnis.

In diesem Band reflektiert sie mit anderen das breite Spektrum einer Pädagogik, die ehemals als Freire‘sche „Pädagogik der Unterdrückten“ bekannt wurde und die heute, durch Ilse geprägt, als eine Pädagogik zur Befreiung der Menschen betrachtet werden kann. In ihrem wunderschönen einleitenden Aufsatz: Raupe und Schmetterling. Wege der Veränderung verbindet sie nochmal explizit die Perspektiven ihres pädagogischen Ansatzes in und mit der Internationalen Akademie Berlin (INA gGmbH) und würdigt damit auch uns, ihre Partnerinnen und Partner in unserer Institution.

In der INA war sie mit uns bedingungslos solidarisch. In manchmal schwierigen Phasen halfen ihre klaren Positionen und Wertorientierungen uns, sich auf das Wesentliche zu besinnen. Sie unterstützte besonders die jüngeren Frauen in unserer Gesellschaft, munterte sie auf und würdigte ihr Handeln. Gegen den Strich denken, neue Ideen entwickeln, Etabliertes hinterfragen bei gleichzeitigem Bewusstsein des solidarischen und respektvollen Wertekerns war ihr in der Weiterentwicklung der INA wichtig. Ilse hat innerhalb unserer Akademie in besonderem Maße die interdisziplinäre Zusammenarbeit und den Zusammenhalt gefördert. Ihr Tod lässt eine große Lücke zurück.

Ilse führte und initiierte viele Diskurse. Der Dialog als Handlungs- und Erkenntnisprinzip kennzeichnete ihr Leben und Wirken. Sie lebte den Dialog sehr intensiv, aufrichtig und einfühlsam als Kommunikation zwischen Menschen mit unterschiedlichsten Wissens- und Erfahrungsbeständen: als Austausch zwischen Subjekten mit prinzipiell gleichen Rechten, die das Ziel eines friedlichen Zusammenlebens verbindet. Ilse trat nie radikal auf, sie agitierte nicht. Konsequent war sie allerdings in ihrem aktiven Eintreten für Dialoge, Frieden, die Menschenrechte und ihrer darauf gegründeten Ethik.

Wir hoffen, wir können diesen Geist weitertragen und so ihr Wirken verlängern.

In tiefer Trauer Christa Preissing, Marie-Theres Albert, Angelika Krüger, Sophie Kotanyi, Katrin Macha Für die Gesellschafter*innen und Mitarbeiter*innen der Internationalen Akademie Berlin gGmbH


https://www.inaberlin.org/files/express/Nachruf%20Ilse%20Schimpf-Herken.pdf


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Infos im kontext

Flavia-Maedche: Kann-Lernen-wirklich-Freude-machen via AG SPAK

http://www.agspak-buecher.de/Paul-Freire-Gesellschaft-Hg-Flavia-Maedche-Kann-Lernen-wirklich-Freude-machen


Abstract

Dieses Buch liefert im ersten Teil einen Überblick über die historische und aktuelle Situation Brasiliens, zeichnet dann die wichtigsten Stationen von Leben und Werk Paulo Freires nach und beschreibt schließlich Theorie und PRaxis eines umfangreichen Schulprojekts in Brasilien.

Vorwort

In meiner mehrjährigen Praxis als Erzieherin und Lehrerin in Brasilien habe ich immer wieder gespürt, wie sehr das Lernen zum Menschsein dazugehört: Nicht nur die Kinder, auch die Erwachsenen müssen sich die Welt und ihr eigenes Dasein lernend Stück für Stück erarbeiten und erschließen. Dies kann auf sehr verschiedene Art und Weise geschehen. In der Schule gingen die Meinungen oft weit auseinander, wenn die Frage im Raum stand, welches Lernen dem Menschen - hier vor allem den Kindern - eigentlich gerecht zu werden vermag. Mir ließ diese Frage keine Ruhe, nicht zuletzt weil ich mit meiner eigenen Erziehungspraxis häufig auf große Widerstände stieß. Deshalb begab ich mich auf die Suche nach Literatur über den Menschen als Lernenden, die mir Hilfe sein könnte für mein praktisches Bemühen, Lernen in der Schule umzusetzen. So fand ich zu Paulo Freire und seiner Erziehungskonzeption, die mich tief beeindruckt und überzeugt hat. Für Paulo Freire steht jede menschliche Handlung, auch wenn sie noch so privat erscheint, im Kontext einer sozialen und natürlichen Umwelt: Der Mensch ist, ob er will oder nicht, in jedem Augenblick seines Lebens ein zoon polittcon (Platon). Es gibt dabei zwei Möglichkeiten, in welche Richtung sein Handeln wirksam werden kann: Entweder es schafft Unterdrückung oder Befreiung!

Diese allgemeinen Aussagen zum Handeln des Menschen überträgt Paulo Freire auch auf jede erzieherische Tätigkeit: Erziehung ist immer politisch, d.h. gesellschafts- und weltbezogen. Zielt sie darauf, dem Menschen Gehorsam beizubringen, zementiert sie damit seine Unselbständigkeit. Befähigt sie ihn zu kritischem Denken und Hinterfragen, setzt sie ihn frei zur Selbst- und Weltbefreiung. Schließlich wird auch noch das Lernen selbst für Paulo Freire zu einer 'öffentlichen Angelegenheit': Lernen kann nur der, der vom Mitmenschen oder der Welt etwas entdeckt und aufnimmt. Entscheidend ist, wie er dabei seiner Umwelt gegenübertritt: Ein Bestreben, alles Wahrgenommene in ein definitives System einzuordnen, läßt Mensch und Natur nicht zur Entfaltung kommen. Die Bereitschaft, sich im Lernen betreffen und verändern zu lassen, entläßt auch die Welt in den Prozeß einer befreienden Entwicklung. Als Konsequenz aus den oben beschriebenen Einsichten streicht Paulo Freire aus dem Bezugsfeld des menschlichen Handelns den Begriff Neutralität und setzt dafür einen neuen ein: Intersubjektivität. Sie verwirklicht sich, wo Menschen Unterdrückung beenden und Befreiung schaffen. Dieser Begriff der Intersubjektivität ist es, um den die ganze vorliegende Arbeit kreist, ohne ihn an einer Stelle ausdrücklich zu definieren. Er beinhaltet nach Freire das Ziel allen Handelns und allen Lehrens und ist deshalb selbst nur prozeßhaft zu erschließen. Dazu muß man bereit sein, die Welt und den Menschen einmal mit den Augen Freires zu betrachten, ohne gleichzeitig diese Sichtweise übernehmen zu müssen. Das wird in dieser Arbeit versucht, und zwar unter dem speziellen Blickwinkel der Umsetzung seines pädagogischen Konzeptes für die (Grund-) Schule. Die Ausführungen können nicht unter dem Anspruch stehen, diese Pädagogik und das dahinterstehende Weltverständnis vollständig zu erfassen, weil ein solcher Anspruch ein geschlossenes Systemdenken voraussetzt, das nicht mit den Überzeugungen Freires - genauso wenig wie mit den meinigen - in Einklang zu bringen ist. Vielmehr soll exemplarisch dargestellt werden, was Paulo Freire in Theorie und Praxis erkannt und verarbeitet hat. Die Auswahl ist ohne Zweifel auch von meinen eigenen subjektiven Erfahrungen und Gefühlen beeinflußt, nicht zuletzt deshalb, weil ich in vielen Einsichten Freires mein Lebensempfinden widergespiegelt sah.

Paulo Freire betrachtet die Welt, insbesondere die Realitäten in seinem Heimatland Brasilien, aus der Sicht der Unterdrückten. Eine Erklärung dafür liefert der Blick in die Geschichte Brasiliens (bzw. Lateinamerikas): Sie erzählt vom Elend unzähliger Menschen, die über Jahrhunderte hinweg bewußt und systematisch von anderen Menschen in Unfreiheit und Abhängigkeit gehalten wurden und werden. Und sie zeugt davon, wie sehr auch ein entsprechendes Erziehungs- und Bildungskonzept mit daran beteiligt war und ist. Von dieser schier unbeschreiblichen Not und Ungerechtigkeit handelt das erste Kapitel dieser Arbeit. Wer sich ihr öffnet, beginnt Freire in seinem Kampf für die Zu-kurz-Gekommenen zu verstehen.

Daß es in dieser Welt auch eine andere Realität, ein befreites und befreiendes Leben geben kann, davon möchte das vierte und letzte Kapitel dieser Arbeit berichten. Es ist eine Welt, an der Freire maßgeblich mitgearbeitet und gebaut hat. In der Mitte der Arbeit (Kapitel 2 und 3) steht Freire selbst, sein Leben, sein Wirken und sein Denken, die geprägt sind vom pausenlosen Einsatz zur Veränderung der Welt: Heraus aus der Realität der Unterdrückung hinein in eine Welt der Freiheit und ein Leben in kreativer Intersubjektivität.

Paulo Freire hat sich keineswegs gegen jegliche Systematisierung ausgesprochen, spricht ihr im Gegenteil immer wieder eine hohe Bedeutung für alles Lernen zu. Leider hat er seine eigenen Ideen in seinen Büchern nicht sehr systematisch entfaltet, was für diese Arbeit durchaus als erschwerend empfunden wurde. Viele seiner Schriften beinhalten nichts anderes als Dialoge, die er mit wechselnden Partnern geführt hat.

Schwerpunktmäßig beziehe ich mich in meiner Arbeit auf die ins Deutsche übersetzte Literatur Freires und die neuesten Werke, die im Portugiesischen erschienen sind. Zur deutschsprachigen Literatur über Freire ist zu sagen, daß seine Rezeption seit Anfang der siebziger Jahre nur sehr schleppend in Gang kam und sich eigentlich -abgesehen von einigen städtischen Projekten, die seine Ideen auf die Arbeit mit Ausländern anwendeten -weitgehend auf kirchliche Kreise beschränkte, die seine Gedanken für theologische Neuansätze fruchtbar zu machen suchten. Bei Vertretern allgemeiner schulischer Erziehungs- und Bildungskonzepte findet man seine pädagogischen Ansätze nach wie vor kaum diskutiert, man hält sie für nicht auf deutsche bzw. europäische Verhältnisse übertragbar. Außerdem steht sein Name meist für die Alphabetisierungsarbeit mit Erwachsenen und damit für eine hier nicht mehr aktuelle Problematik. Nach Joachim Dabisch erfahren Freires Überlegungen im deutschsprachigen Raum eine Einschränkung, die völlig ungerechtfertigt ist, hat sich doch gezeigt, daß "überall dort, wo Möglichkeiten zur Anwendung der Gedanken Paulo Freires bestehen, sich neue Qualitäten der Wissensaneignung entwickeln." (Dabisch, 1987, S. 9) Etwas anders stellt sich die Situation in Nordamerika dar: Nicht zuletzt wohl aufgrund der sich verschärfenden sozialen Spannungen in den USA gibt es mittlerweile einige Universitätsprofessoren, die in erziehungswissenschaftlicher Hinsicht auf Freire zurückgreifen, so z.B. Ira Shor (für die Anwendung seiner Pädagogik im Hochschulbereich), Henry Giroux (im Bereich der Pädagogik als revolutionäre Erziehungspraxis) oder Peter McLaren (Freire in der Postmoderne).

Meines Erachtens wird Freire nicht nur in Europa zu wenig in der Erziehungswissenschaft berücksichtigt. Bedenkt man, daß ein Drittel der Weltbevölkerung Analphabeten sind und Paulo Freire eine Methode entwickelt hat, die Menschen innerhalb eines minimalen Zeit- und Finanzaufwands zum Lesen- und Schreibenkönnen verhilft, kann man eigentlich nur mit handfesten machtpolitischen Interessen erklären, daß seine Methode nicht großräumig zum Einsatz kommt. Zu den von mir benutzten Hilfsmitteln sei noch angemerkt: Alle Interviews, die in diesem Buch erwähnt werden, wurden von mir selbst durchgeführt.

Statt eines ausführlichen Schlußwortes findet sich am Ende dieses Buches ein Zitat von Freire, das in seiner Unabgeschlossenheit und Offenheit für die Zukunft treffend zum Ausdruck bringt, wie diese Arbeit entstanden ist und welches Ergebnis sich mit ihr verbindet. Lernen ist ein Prozeß, der erst mit dem Ende des Lebens zu einem Abschluß gelangt.

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1. Geschichtlicher Hintergrund einer Gesellschaft / 1.1. Vergessene Ereignisse / 1.1.1. Die Frage nach der Entdeckungszeit /1.2. Die Eroberung Brasiliens / 1.2.1. Das ökonomische Interesse der Kolonisatoren / 1.3.Brasilien als Kolonie (1500-1822) / 1.3.1. Die brasilianische Ökonomie in der Kolonialzeit / 1.3.2. Das Indiobild in der europäischen Kultur / 1.3.3. Die Einwanderer / 1.3.4. Gesellschaftsstruktur und Arbeitsteilung / 1.3.5. Die Schule im Kolonialstaat / 1.4. Brasilien als Königreich (1808.bis 1889) / 1.4.1. Die Gesellschaft im Königreich / 1.4.2. Brasiliens Unabhängigkeitsbestrebungen / 1.4.3. Perspektiven in Politik und Wirtschaft während der imperialen Zeit / 1.4.4. Entwicklungen im Bildungsbereich / 1.5. Brasilien als Republik in den Jahren 1889 bis 1929. / 1.5.1. Die Lebenssituation der armen Bevölkerung / 1.5.2. Die gesellschaftlichen Strukturen: Bildung und Arbeit / 1.5.3. Die Weltwirtschaftskrise und das Ende der Ersten Republik / 1.5.Die Zweite Republik (1930-1954) / 1.6 1. Populismus und Bildungspolitik / der Regierung Vargas / 1.7. Eine beschleunigte Industrialisierung oder '50 Jahre in 5' 5 / 1.7. 1. Der Fünfjahresplan / / 1.7.2. Entwicklung eines sozialen Bewußtseins: Identität oder Nationalismus? / 1.7.2.1. Die Erklärung der ökonomischen Abhängigkeit und die Dependenztheorie / 1.7.2.2. Die Theologie der Befreiung / 1.7.2.3. Reformimpulse von ländlichen und städtischen Arbeiterbewegungen / 1.7.2.4. Die schulischen Rahmenbedingungen / 1.8. Das Eingreifen des Militärs im Jahre 1964 / 1.8.1. Ein instrumentalisiertes Bildungssystem 2. Paulo Freire: Biographisches und Historisches im Blick auf sein reformerisches Wirken / 2. 1. Freires Kindheit und Jugendzeit / 2.1.1. Der Schwarze Freitag in Freires Kindheit / 2.2. Die informelle Erzieherin / 2.3. Die Alphabetisierungsmethode / 2.4. Ausweisung und Exilzeit / 2.5. Der Anti-Dialog als moderne Entwicklungspolitik / 2.5.Auf dem Weg zum neokolonialen Industriestaat 3. Freires Anthropologie - seine Konzeption von Erziehung und Bildung / 3.1. Der Mensch und die Umwelt - Erziehung als Praxis der Freiheit / 3.2. Die Sprache als Kommunikationsgrundlage im Erkenntnisprozeß / 3.3. Der Dialog als Intersubjektivitätsprinzip / 3.4. Die Intersubjektivität im Erkenntnisprozeß / 3.5. Erkenntnis als Bewußtsein / 3.5.Erkenntnistheorie als Befreiungstheorie / 3.6 1. Erkenntnis und Wissenschaft / 3.6 2. Erkenntnis und handlungsleitendes Interesse / 3.7. Die Entwicklungen in der Schule und die Bildungskonzeption von Paulo Freire / 3.7.1. Das Schulversagen / 3.7.2. Die Schule und ihre Bündnisse / 3.7.3. Die Lehrmethode der Be-Lehrung / Exkurs: Lernen im positivistischen Denken 4. Von der Pädagogik der Unterdrückung zur Pädagogik der Befreiung /4.1. Von der Not über die Veränderung hin zum Neuen Denken / 4.1.1. Freires Grundthese / 4.1.2.Schulverbesserung oder Schulveränderung? / 4.1.3. Die Methodologie der Erkenntnis / 4.1.4. Die Situation in Brasilien / 4.2. Das Schulprojekt von West-Parana / 4.2.1. Die Vorgeschichte / 4.2.2. Die erste Phase / 4.2.3. Die zweite Phase / 4.2.4. Die Erschließung der Lerninhalte mittels Kodierung und Dekodierung der Alltagsrealität / 4.2.5. Das neue fächerübergreifende Lesebuch / 4.2.5.Die neue Methode des Lernens / 4.2.7. Zur Umsetzung der Methode / 4.2.8. Impulse aus der Praxis / 4.2.8.1. Vom Urteilen zum Hinhören / 4.2.8.2. Der Lehrer und die Last der überkommenen Pädagogik / 4.2.9. Kritische Anmerkungen zum Schulprojekt von West- Parana / 4.2.9.1. Die neue Methode des Lernens in ihrem Entstehungsprozeß / 4.2.9.2. Das neu entwickelte Lesebuch / 4.2.9.3. Die Methode und ihre Ausführung / 4.3. Demokratie und Schulpraxis in Sao Paulo / 4.3.1. Ansätze einer demokratischen Politik / 4.3.2. Eine demokratische curriculare Schuldiskussion / 4.3.3. Die Aktionsforschung in den Gemeinden / 4.3.4. Die Problernatisierung der Lehrpraxis mithilfe einer beständigen Fortbildung / 4.3.5. Der curriculare Lehrplan / 4.3.5.Die Ergebnisse des Projektes im Vergleich zu West- Parana Schlußwort / .Literaturverzeichnis / Anmerkungen

Autorin

Dr. phil., geb. 1949 in Lajeado, Brasilien. Studium in Brasilien und Deutschland. Lehrerin und Diplom-Pädagogin. Langjährige Tätigkeit in Brasilien in verschiedenen Praxisfeldern: Lehrerin in der Erwachsenenbildung (Alphabetisierung) - Gründerin und Leiterin eines Kindergartens - Religionslehrerin - Schulrätin für einen Landkreis - Pädagogische Supervisorin bei einem großangelegten, nach Grundsätzen Paulo Freires konzipierten Schulprojekt in West-Parana, dessen Theorie und Praxis u.a. in diesem Buch beschrieben wird,


Renate Schüssler: Schulentwicklung und das Menschenrecht auf Bildung. Diss. 2007

Herausforderungen im Kontext von Armut, Chancenungleichheit und neoliberaler Gouvernementalität am Beispiel Peru, OKO Verlag, FFM 2007 Wer sich, sei es innerhalb seines solidarischen Engagements, Menschenrechtsarbeit oder entwicklungspolitischer Zusammenarbeit mit Peru beschäftigt, tut gut daran, sich mit Bildungsfragen zu beschäftigen. Zu diesem Thema veröffentliche Renate Schüssler ihre Dissertation ...


Emanzipatorisch, sozialistisch, kritisch, links?

Zum Verhältnis von (politischer) Bildung und Befreiung===

9,90€ Karl-Dietz-Verlag

Zum Inhalt:

> > Janek Niggemann, Andreas Merkens: Macht Herrschaft überflüssig! Anregungen > Antonio Gramscis für kritische Bildung und Erziehung

> > Carsten Krinn > »...der Klassenkampf erlaubt selten die Anstellung eines Schwimmlehrers«. > Zwischen Emanzipation und Edukationismus: > Lehren aus der Schulungsarbeit der Weimarer KPD

> > David Salomon > Bertolt Brechts politische Didaktik oder: > Die Quadriga von Pädagogik, Ästhetik, Philosophie und Politik

> > Torsten Feltes > Die kritische oder dialektische Bildungstheorie

> > Marco Hahn > Paulo Freire: Bewusstwerdung ermöglichen

> > Julika Bürgin > Oskar Negt, die soziologische Phantasie und das > exemplarische Lernen in der Arbeiterbildung

> > Marit Baarck > So-und-auch-anders-Können. > Was lässt sich aus der subjektwissenschaftlichen Lerntheorie Klaus > Holzkamps für linke emanzipatorische > politische Bildung ableiten?

> > Bernd Wittich > Emanzipatorische politische Bildung: > Social Justice und Martin Bubers Dialogik >

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