SWR2 Radio Akademie
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SWR2 Radio Akademie - seit 1996
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Fremde Heimat - Migration weltweit
Migration als Chance. Migration als Gefahr. So wird es meist diskutiert. Warum nicht: Migration als universelles Phänomen? Der Mensch wandert umher, seit er Afrika verlassen hat. Selten aus Neugier, oft gegen den eigenen Willen, und häufig aus Angst, Verzweiflung oder der Hoffnung auf eine bessere Existenz. Das hat sich bis heute nicht geändert: Nepalesen versuchen ihr Glück in Abu Dhabi, Afrikaner in Frankreich, Russen in Deutschland und Deutsche auf Mallorca. Migration hat immer Folgen für beide Seiten: Für die Gegenden, die die Menschen anziehen, und für die, die verlassen werden. Migration: das sind Geschichten zerrissenen Familien und enttäuschten Hoffnungen, von Begegnung und Ausgrenzung, aber auch von geretteten Leben und neuen Anfängen. Die SWR2 Radioakademie schildert die globale Migration in all ihren Facetten. Aus Sicht aller: derer, die migrieren, derer, die „daheim bleiben“, aus Sicht der Wissenschaft und aus Sicht derer, die täglich mit Migranten zu tun haben.
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1) Aufbruch der Menschheit (Dirk Asendorpf) . 5. Mai 2007
Kultur entsteht durch Migration. Wenn Menschen einen Ort verlassen und in einen anderen ziehen, werden sie beide Orte ein wenig verändern. Deshalb ist die Geschichte Europas ist eine Geschichte der Migration. Ebenso die Geschichte Amerikas. Es gibt nur wenige Weltgegenden, die überwiegend von den Menschen bevölkert werden, die dort schon seit Jahrtausenden leben. Was ist der wichtigste Motor der Migration? Was unterscheidet die Migration von früheren Wanderungswellen?
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2) Die Faust der reichen Welt – Warum die Menschen flüchten (Falk Fischer) . 12. Mai 2007
Menschen fliehen, weil ihnen das Wasser abgegraben wird; weil sie gewaltsam umgesiedelt werden; weil ihre Landschaften durch die globale Erwärmung veröden; weil ausländische Flotten ihre Meere leerfischen oder weil sie gegen die hochsubventionierten Exporte aus dem Ausland keine Chance haben, sich wirtschaftlich über Wasser zu halten: Europäische Butter ist in Afrika billiger als die einheimische! Es sind die Industriestaaten, die Migration erzeugen.
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3) Weltmarkt der Arbeitskraft – Vom Sklavenhandel zum Leiharbeiter (Thomas Kruchem) - 19. Mai 2007
Das deutsche Wort „Gastarbeiter“ klingt freundlich. Die Realität ist meist härter für die Heerschaar von Billigarbeitern, die rund um den Globus ihr Auskommen suchen: die Vietnamesen in Bulgarien oder Usbeken in Moskau. Auch fünf Millionen Bangladeshis verdingen sich im Mittleren Osten, in Singapur und Südkorea. Ihre Überweisungen ernähren einen Großteil der heimischen Bevölkerung und verbessern die Handelsbilanz. Der Weg ins Ausland führt jedoch durch dorniges Gelände: Die Arbeiter müssen sich oft hoch verschulden, um skrupellose Agenten zu bezahlen; Lohn und Arbeit entsprechen vielfach nicht den Erwartungen und auf Frauen wartet häufig sexuelle Ausbeutung. So ist die Globalisierung des Arbeitsmarktes längst Alltag für Millionen Menschen – doch „Gäste“ sind sie selten.
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4) Geschichte der Migration in Europa – Folgen für die Einwanderungsländer (Ruth Jung)
Die blutige Geschichte Europas hat jahrhundertelang Flucht und Vertreibung zur Folge gehabt. Im zwanzigsten Jahrhundert wurde Europa selbst die neue Heimat von Flüchtlingen vor allem aus Afrika und Asien. Auch die innerdeutsche Diskussion hat sich in den letzten Jahren sehr gewandelt. Jahrelang bewegte sie sich nur zwischen Ausländerfeindlichkeit einerseits und Multikulti-Schwämerei andererseits. Jahrzehnte hat es gedauert, bis sich Deutschland mit dem Zuwanderungsgesetz dazu bekannt hat, Einwanderungsland zu sein. Die demographische Entwicklung spielt dabei eine nicht unwesentliche Rolle.
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5) Landflucht – ausgeblutete Länder und Regionen (Bettina Weiz)
Die jungen, mobilen und tatkräftigen gehen - die anderen bleiben. Das ist das Grundproblem aller Länder und Regionen, die ihrer Bevölkerung nichts mehr zu bieten haben. Es führt zu Flucht vom Land in die Stadt und von den armen Ländern in die reichen. In den südindischen Metropolen werden „IT-Autobahnen“ gebaut, Programmierer knobeln über Software-Lösungen für die ganze Welt - und wenige Dutzend Kilometer entfernt gibt es nicht einmal private Telefonleitungen. Die Politik in den Zuwanderungsländern begünstigt wiederum diesen Trend: Die Hochqualifizierten sind willkommen, die anderen eher unerwünscht.
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6) Überall zu Hause – oder nirgends? Zwischen den Welten (Dirk Asendorpf)
Sie sind zum Arbeiten nach Deutschland gekommen oder als politisch Verfolgte. Mit jedem weiteren Jahr entfremden sie sich von ihrem Herkunftsland und leben sich immer besser in Deutschland ein. Die einen warten noch auf die Rückkehr, andere pendeln zwischen alter und neuer Heimat hin und her. Manche begnügen sich damit, andere gehen – oft Jahrzehnte später – zurück. Doch ist es überhaupt noch ihre Heimat? Und wie viel „Deutschland“ nehmen sie zurück in ihr Herkunftsland?
7) Auf beiden Seiten des Grenzzauns (Anne-Katrin Mellmann)
Europas „Mauer“ ist das Meer – wer es illegal zu überqueren versucht, riskiert sein Leben. Und wer es schafft, muss damit rechnen, gleich wieder heimgeschickt zu werden. Auch die USA schotten sich ab gegenüber den Flüchtlingsströmen aus Mexiko und Zentralamerika - im Norden Mexikos soll ein Grenzzaun abschrecken, dabei übernimmt im Süden längst die mexikanische Polizei Wächterfunktion. In Mittelamerika ist Migration das wichtigste Thema - Segen und Fluch zugleich. Die wirtschaftlich schwachen Länder leben von den Geldüberweisungen ihrer Migranten, andererseits bleiben kaputte Familien, zerstörte Gesellschaften zurück.
8) Das gelobte Land – Migrantengeschichten (Uwe Springfeld)
Migrationshintergrund – ein typisch neudeutsches Wort. Wie sieht dieser Hintergrund aus? So unterschiedlich wie ihre Herkunftsländer, so unterschiedlich sind die Erlebnisse und Ereignisse, die Ausländer nach Deutschland geführt haben und die Erfahrungen, wie sie hier aufgenommen wurden. Für „Migrationsbeauftragte“, für die Experten beim UN-Flüchtlingshilfswerk oder bei der Internationalen Arbeitsorganisation sind diese Millionen von Einzelfällen Teile einer großen Statistik und einer globalen Bewegung.
9) Rassismus oder die Angst vor dem Fremden (Gabor Paal)
Wissenschaftlich ist die Einteilung der Menschheit in „Rassen“ überholt. Dennoch bekommen Migranten überall auf der Welt Vorbehalte zu spüren, und je „fremder“ sie aussehen, desto mehr. Das Beispiel Afrika zeigt aber auch: Fremdenfeindlichkeit entsteht meist in bestimmten politischen Situationen, geschürt von bestimmten Gruppen, die um ihrer eigenen Interessen willen die rassistische Karte spielen und ethnische Konflikte schüren.
10) Schmelztiegel – Wie funktioniert Integration? (Simone Hamm)
Täglich hören wir, wie und wo Integration nicht gelingt, wir hören von „Multikulti gescheitert“, von „Parallelgesellschaften“ in Kreuzberg oder von radikalen Muslimen in England. Schnell werden dabei Krawalle in Berlin mit den Verhältnissen in den Pariser Vororten gleichgesetzt. Aber Integration kann auch funktionieren. Doch sind dafür Kopftuchverbote wichtig? Deutsch-Pflicht auf den Schulhöfen? Muslimischer Religionsunterricht an Schulen? Was darf die Gesellschaft fordern, was muss sie geben? Die polnische Pflegerin in Aachen, der Sohn des türkischen „Paten von Köln“ oder der Marokkaner in Paris – alle haben ihre eigene Meinung zur Frage: Was ist gelungene Integration?
11) Was ist Heimat? – Völker in ihrer eigenen Welt (Gaby Weber)
Ist Integration um jeden Preis überhaupt notwendig? Es gibt Völker, die wollen überwiegend unter sich bleiben. Die Amish people in den USA, die Mennoniten in Mittel- und Südamerika, aber auch die Sinti und Roma in Europa. Auch die Deutschen, die im 19. Jahrhundert vor der Armut und dem Hunger in der „Alten Welt“ emigriert sind, bilden in Südchinle und Brasilien deutsche Enklaven. Ist dagegen grundsätzlich überhaupt etwas einzuwenden?
12) Die trotz allem daheim bleiben (Susanne Babila)
Unterm Strich bleibt: Die meisten Menschen wandern nicht aus. Sie bleiben im eigenen Land, oft in der engeren Heimatregion. Und das selbst dann, wenn die Verhältnisse unerträglich werden, wenn es zu Hause längst nicht mehr „am schönsten“ ist. Was bindet Menschen an ihre Heimat? Die Familie, die Freunde? Das Gefühl, die Heimat nicht im Stich lassen zu dürfen? Der Stolz, sich nicht vertreiben zu lassen?
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1996 - Welt am Draht
1997 - Erdzeit
1998 - Welt im Kopf
1999 - KultUrsprung http://www.swr.de/swr2/kultursprung
2000 - Gutenbytes - http://www.swr2.de/gutenbytes
2001 - Biotopien - http://www.swr2.de/biotopien
2002 - EineWeltLeben http://www.swr2.de/eineweltleben
2003 - Wer weiss was? - http://www.swr2.de/wer-weiss-was
2004 - LeibHaftig http://www.swr2.de/leibhaftig
2005 - ArcheTopia http://www.swr2.de/archetopia
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2006 - Gottes Bilder - Warum wir glauben
Fortschrittliches Denken – das zeichnete sich im zwanzigsten Jahrhundert aus durch eine Abkehr von Gott und allem Religiösen. Die großen geistigen Leitfiguren gaben die entsprechen Parolen aus: „Kollektive Zwangsneurose“, urteilte Freud über die Religion. „Opium des Volkes“, meinte Marx – und die Millionenschar seiner Anhänger und Nachfolger folgte ihm. Und heute? Der neue Papst, kaum im Amt, wurde von der Jugend wie ein Popstar gefeiert; die neue Kanzlerin wurde wieder mit Gottesformel vereidigt. Die Kirchen werden zwar leerer – aber Gott ist wieder wer: Sich zu ihm zu bekennen, gilt plötzlich als zeitgemäß. Die Religion dringt wieder in den Alltag ein. Und Europa hinkt dem Welttrend noch weit hinterher: Kaum eine US-Regierung der vergangenen Jahrzehnte begründete ihre Politik so religiös wie die jetzige. In vielen muslimisch geprägten Ländern gewinnen Islamisten an Einfluss. Im offiziell säkularen Indien wird Hinduismus zunehmend zur Staatsreligion. Der europäische Trend, Religion ins Private zu verbannen und jeden Gottesbezug aus der neuen EU-Verfassung herauszuhalten, erscheint im globalen Maßstab als Sonderweg. Was sind die Ursachen für die Renaissance der Religionen und wie kommt es, dass Sinnfragen auch bei uns wieder in Mode sind?
6. Mai 2006
1. Wiederkehr der Götter - Die globale Renaissance der Religionen
(Dirk Asendorpf)
Ein Drittel der lateinamerikanischen Katholiken ist zu den Pfingstkirchen übergetreten, in China haben frisch restaurierte Tempel großen Zulauf, in Afrika geraten expandierende christliche und muslimische Missionskirchen aneinander, islamistische Bewegungen proben in arabischen Ländern und in Indonesien die Machtübernahme, die weltweit größte christliche Gemeinde hat sich im südkoreanischen Seoul zusammengefunden, die USA werden von einem wiedergeborenen Christen regiert. Auch wenn verlässliche Zahlen häufig fehlen, besteht kein Zweifel, dass die politische Bedeutung von Religion und ihre öffentliche Wahrnehmung in den letzten Jahren deutlich zugenommen haben. Wie kommt das?
13. Mai 2006
2. Archäologie des Glaubens - Wie die Götter auf die Welt kamen
(Gabor Paal)
Wenn Kinder die Religion entdecken - spiegelt sich darin die Erfahrung der gesamten Menschheit? Schon in der Steinzeit jedenfalls glaubte der Mensch - zumindest an irgendetwas. Woran genau, das lässt sich aus den Hinterlassenschaften nur schwer deuten. Die Idee konkreter "Götter" oder gar eines einzigen Schöpfers entstand erst mit der Zeit. An Erklärungen für die Religiosität des Menschen mangelt es in der Wissenschaft nicht: Hirnforscher glauben ein "Gottes-Modul" in unserem Nervengeflecht gefunden zu haben, und Evolutionspsychologen liefern viele plausible Gründe, weshalb der Mensch zum Homo credens wurde. Doch all diese Erklärungen kommen an ihre Grenzen; denn was wir Religion nennen, ist in Wirklichkeit ein kompliziertes Gewebe aus Glauben und Sinn-Gebung, Mythen und Werten, spirituellen Erfahrungen und Ritualen.
20. Mai 2006
3. Naturwissenschaft und Religion
(Falk Fischer)
Der Schöpfungsbericht der Bibel steht der Evolutionstheorie nach Darwin oder der Urknalltheorie der Physik scheinbar unversöhnlich entgegen. Während die Naturwissenschaft die Funktionszusammenhänge der beobachtbaren Natur zu erklären versucht, zielt die Religion auf eine Sinndeutung der Welt. Die Deutungsabsichten sind grundverschieden, beziehen sich nun mal aber auf ein und dieselbe Welt oder Natur. Wie passt das zusammen? Kann heute überhaupt noch ein aufgeklärt denkender und naturwissenschaftlich gebildeter Mensch ernsthaft religiös sein? Lebenswissenschaftler, Bewusstseins- und Evolutionsforscher tun sich damit heute weit schwerer als Physiker, für die sogar die Vorstellung eines persönlichen Gottes inzwischen keinen unauflösbaren Widerspruch mehr zu den Naturgesetzen bedeutet.
27. Mai 2006
4. Der Versuch Gott zu beweisen
(Uwe Springfeld)
Wissen statt Glauben: Jahrhundertelang suchten Gläubige nach einem logisch gültigen Beweis für die Existenz Gottes. Die Zeiten sind eigentlich vorbei. So wie umgekehrt aufklärerische Wissenschaftler wie Galileo oder Darwin nicht mehr als gottlose Ketzer betrachtet werden. Eigentlich – doch nun sammelt eine immer größere Zahl von Menschen eine wissenschaftliche Argumentation für Gott und die Schöpfung. Hinter dem stetigen Wandel der Evolution sehen Kreationisten nicht Selektion und Anpassung, sondern eine planvoll kreierende Kraft, einen intelligenter Designer. Kann die Evolution Gott beweisen? Oder führt der Kreationismus nur in eine schlechtere Wissenschaft? Wie kann ein gläubiger Mensch heutzutage mit den Erkenntnissen der Wissenschaft vernünftig umgehen?
3. Juni 2006
5. Fühlen statt predigen
(Eva Schindele und Christian Beneker)
Reden und zuhören - die starke Konzentration auf das Wort treibt viele Menschen aus den Gottesdiensten hinaus. Karge Predigten über willkürlich ausgewählte Bibelstellen berühren nicht mehr und helfen in Lebensfragen nicht weiter. Menschen sehnen sich heute nach Ritualen, die das Gefühl ansprechen: Musik, Gemeinschaftserleben, Feier des Lebens, also „Religio“ - “Rückbindung“. Obwohl die christlichen Kirchen inzwischen ihr Gesicht verändern, wandern viele Mitglieder ab, schließen sich bibelfrommen Strömungen oder anderen Religionsgemeinden an. Suchen die Menschen überhaupt noch den Schoß der verfassten Religionen, um ihre Religiosität zu leben? Oder haben sich Institutionen als Rahmen für Glaubenserfahrungen erübrigt?
10. Juni 2006
6. Woran Menschen glauben, wenn sie nicht glauben
(Michael Stein)
Die westliche Art zu leben breitet sich immer weiter aus. Unaufhaltsam ist sie dabei, mit ihren Wertmaßstäben den gesamten Globus zu überziehen. Da bleibt für religiöse Gedanken oft keine Zeit, kein Raum mehr. So lassen immer mehr Menschen ihren Glauben hinter sich - sie legen und lehnen ihn sehr bewusst ab, oder er kommt ihnen irgendwie abhanden. Die Zahl der echten Atheisten ist dabei jedoch eher gering, viele Ungläubige bleiben ihr Leben lang trotzdem auf der Suche nach dem, woran sie glauben können, und viele von ihnen begegnen ihren gläubigen Mitmenschen - gleich welcher Religion - beinahe neidisch. Auch Agnostiker sind sich nicht so sicher, ob es nun eine höhere Macht gibt oder nicht, es spielt für sie aber auch keine Rolle, weil der Mensch die Frage ohnehin nicht beantworten kann. Was können Gläubige, Zweifler und Ungläubige voneinander lernen, was haben sie sich zu sagen?
17. Juni 2006
7. Buddhismus? find ich gut - Der Mix der Religionen
(Martin Stümper und Matthias Wurms)
Ein bisschen Zen-Buddhismus, ein bisschen Christ, ein bisschen Schamanismus? Der moderne Mensch hat die Patchwork-Religion für sich entdeckt. Er möchte keine vorgefertigte „Konfessionsware“, sondern sucht sich in den verschiedenen Religionen seine Elemente zusammen. Auf der Suche nach Spiritualität und Erleuchtung nimmt er sich wie im Supermarkt aus den verschiedenen Religionen das heraus, was er scheinbar braucht. Gerade der Buddhismus erfreut sich im Westen einer wachsenden Beliebtheit - Ersatz-Religion ohne Gott. Aber ist das nicht ein bisschen zu einfach: Nur ein bisschen Christ, nur ein bisschen Buddhist? Wieso suchen eigentlich so viele Menschen nach ihrer persönlich angepassten Religion?
24. Juni 2006 8. Macht Glauben gesund? (Eva Schindele)
„Heilige Maria, hilf mir, dass ich wieder laufen kann.“ Viele solcher Hilferufe hängen in alten Wallfahrtskirchen. Doch längst ist das Monopol der christlichen Kirchen auf spirituelle Heilung gefallen. Menschen schöpfen neue Hoffnung durch indianische Schwitzhütten, New-Age-Heilungsrituale und Hypnose-Sitzungen. Um ihre Krankheit zu bewältigen, suchen sie die Rückbindung an eine übergeordnete Macht. Zu Recht? Studien jedenfalls zeigen, dass religiöse Menschen schneller genesen und sogar weniger Schmerzmittel benötigen. Und sie sind oft gesünder, haben einen niedrigeren Blutdruck und ein besseres Immunsystem. Doch die naturwissenschaftlich orientierte Schulmedizin öffnet sich erst langsam der metaphysischen Dimension.
1. Juli 2006 9. Religion und Politik (Marie-Luise Sulzer-Lederer)
Im Alltagsgeschäft der Politik gehen religiöse Überzeugungen oft unter, aber zu bestimmten Anlässen treten sie dann doch wieder zutage. Sei es in der Diskussion um embryonale Stammzellen oder um den Türkei-Beitritt. In anderen Staaten wie den USA prägen religiöse Argumente sehr viel stärker die politischen Debatten als in. Europa. Doch je mehr Religion die Politik bestimmt, desto stärker polarisiert sie in der Regel. Wie viel religiöse Vielfalt verkraftet eine Gesellschaft? Wie kann eine Demokratie unterschiedliche Wertekulturen integrieren? Können Religionen überhaupt die Werte bestimmen, auf die sich eine Demokratie stützt?
8. Juli 2006 10. Gibt es universelle Werte? - Die schwierige Suche nach dem Weltethos (Hans Volkmar Findeisen)
In den 90er Jahren, zeitgleich mit den Debatten über Globalisierung und den Zusammenprall der Kulturen startete der Tübinger Theologe Hans Küng sein Projekt Weltethos. Mittlerweile hat der 77-Jährige sein Haus bestellt und seine Nachfolge geregelt. Aber das Ziel, eine moralische Minimalplattform für den Dialog der Kulturen und den Weltfrieden zu finden, scheint ferner denn je. Liegt es nur an den Schlechtigkeiten der Welt, dass die Völkerverständigung nicht voran kommt? Oder sollte sich der Westen erst einmal einen Begriff von Kultur und Religion machen, bevor er „die Andern“ zum Dialog fordert?
15. Juli 2006 11. Gesegnete Profite (Simone Hamm)
Wie lässt sich das Streben nach Gewinnmaximierung mit religiösen Grundsätzen und Werten in Einklang bringen? Antworten findet man zum einen in Firmen: In Unternehmen, die auch in Zeiten des globalen Wettbewerbs den Menschen in den Mittelpunkt stellen wollen. Firmen, in denen ethische Kompetenz und christliche Werte noch etwas gelten. Diese Firmen sind genau damit erfolgreich. Sie verkaufen Kleidung oder Schuhe, Magenbitter oder Hautcremes, Schrauben oder Würste. Eine andere Art von „religiösem Management“ zeigt sich in den Mammutkirchen, die sich derzeit in Amerika, aber auch in Afrika ausbreiten: Sie vermitteln ein konservatives Weltbild und klare Regeln. Hier weiß man noch, was gut und böse ist – und dankbar greifen die Gläubigen tief in die Taschen. Kollekten von 800.000 Dollar sind keine Seltenheit, Sonntag für Sonntag. Berührungsängste mit dem schnöden Mammon kennen diese Kirchen nicht. Wie kann das materielle Streben nach Geld in religiöse Überzeugungen eingebettet oder gar religiös verklärt werden?
22. Juli 2006 12. Zukunft der Religionen (Falk Fischer)
Religionen sind nicht einmal notierte und dann für alle Zeiten feststehende Glaubenssysteme, sondern werden, wie Theater oder Musikstücke, von jeder Generation neu ausgelegt, neu interpretiert, manchmal sogar erweitert oder in Teilen eliminiert. Das Bedürfnis nach Religion scheint sehr viel fundamentaler und tiefer im Menschen angelegt zu sein, als lange Zeit angenommen. Die Säkularisierung schreitet nicht unaufhaltsam fort. Vielmehr wandelt sich nur die Sozialgestalt von Kirche bzw. die Art und Weise, wie religiöse Bedürfnisse aufgefangen, ausgedrückt und gelebt werden. In jüngerer Zeit hat sich dadurch eine besonders lebhafte Dynamik entwickelt, lebhafter als zuvor in der Geschichte. Darin liegt auch die Hoffnung, den vitalen Gehalt von Religionen grundlegend neu zu entdecken.
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