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"Ohne die Sprache bist du in einer Sackgasse"

Ausländer müssen viel Geduld bei der Anmeldung zu Integrationskursen aufbringen

Nina Zimmermann

Berlin (epd). Schon von weitem ist das vielsprachige Stimmengewirr im Foyer der Volkshochschule Berlin-Neukölln zu hören. Neben einer Gruppe lautstark schwätzender, tief verschleierter Frauen steht ein Mann mit lila Turban und blickt etwas unsicher um sich. Zwei Schritte weiter hat sich ein junger Mann in eine russische Zeitung vertieft. Sie alle sind gekommen, weil sie sich für einen Deutsch- oder Integrationskurs anmelden wollen - oder müssen.

Zu Beginn eines jeden Jahres bietet die VHS einen zentralen Aufnahmetag für diese Kurse an. Der Andrang ist enorm, und das nicht nur, weil viele der Anwärter Verwandte oder Freunde als Übersetzer mitgebracht haben. Seit der Einführung des neuen Zuwanderungsgesetzes vor einem Jahr ist jeder neu zugezogene Ausländer zum Deutschlernen verpflichtet. Allein an diesem Tag in Neukölln kommen rund 250 Anträge zusammen.

Ein gutes Dutzend Menschen drängt sich am Fuß einer Treppe dicht um den Tisch, an dem Wartemarken ausgegeben werden. "Nein, Sie müssen warten, bis Ihre Nummer aufgerufen wird, erst dann können wir Sie durchlassen", erklärt Hans Moninger von der Arbeiterwohlfahrt geduldig und wiederholt dasselbe noch einmal auf Türkisch. Über 20 Prozent der 300.000 Einwohner im Bezirk Berlin-Neukölln sind Ausländer. "Viele verstehen die Papiere, die sie zum Beispiel von der Arbeitsagentur bekommen haben, gar nicht", sagt Moninger. "Sie wissen nur: Da steht etwas Wichtiges drin und deshalb sind sie hier."

"Nummer 840 bis 850", ruft eine Frau von der Treppe aus. Bekim Maksutaj fasst seine Frau Arjeta am Arm und schiebt sie durchs Gedränge. "Wir haben 844", sagt er im Vorbeigehen. Die beiden stammen aus dem Kosovo. Bekim lebt seit 14 Jahren in Deutschland und spricht die Sprache inzwischen fließend, ohne jemals einen Kurs besucht zu haben. Arjeta kam erst vor drei Monaten und kann noch kein Wort Deutsch.

Sie hat einen Stempel im Pass, der sie zum Integrationskurs verpflichtet. "Aber das hätte sie ohnehin gemacht", sagt ihr Mann. "Sie will sich selbst zurechtfinden", übersetzt er dann Arjetas Begründung. Und fügt hinzu, was für die meisten an diesem Vormittag gelten dürfte: "Ohne die Sprache bist du in einer Sackgasse."

600 Stunden Deutsch und 30 Stunden Orientierung über die hiesige Rechtsordnung, Kultur und Geschichte stehen Arjeta Maksutaj nun bevor. Drei Formulare und eine Viertelstunde später ist klar: Ab Februar lernt sie fünf Mal in der Woche drei Stunden lang Deutsch.

Einen Raum weiter grübelt Frank Anyangbe über einem Lückentext. Er soll Adjektivendungen ergänzen. Der junge Nigerianer, der in seiner Heimat Maschinenbau und dann in Kiew Wirtschaft studiert hat, hatte schon mehrmals Deutschunterricht. Er ist aber mit dem, was er nach gut drei Jahren in Deutschland kann, unzufrieden. "Meine beiden Diplome liegen ungenutzt unter dem Bett herum", seufzt er und erzählt, dass er im Moment in einer Berliner Müllsortieranlage arbeitet.

VHS-Berater Klaus Arnold schaut skeptisch auf das Übungsblatt des 29-Jährigen. Bei "Ein arbeitslos..... Bäcker" hat Frank nur ein "e" notiert. "Also, richtig wäre: ein arbeitsloser Bäcker. Sprechen und Verstehen ist für Sie nicht so ein Problem, aber die Grammatik", sagt Arnold. Daher empfiehlt er Frank einen Kurs der Grundstufe zwei.

Frank steckt die VHS-Anmeldung und drei Formulare des Bundesamtes für Migration ein: den Antrag auf Zulassung für den Integrationskurs sowie den dazugehörigen Anmeldebogen und den Antrag auf einen Zuschuss zur Kursgebühr. Er will in Ruhe überlegen, ob er für 109 Euro zweimal in der Woche oder für 219 Euro fünf Tage die Woche kommt.

Auch Recga Mohammed soll erst einmal einen kleinen Sprachtest machen. Im Gegensatz zu Frank, der freiwillig zur VHS gekommen ist und seinen Lebensunterhalt selbst verdient, wurde der gebürtige Iraner von der Arbeitsagentur zum Sprachkurs verpflichtet. Denn Recga ist Arbeitslosengeld-II-Empfänger. Weigert er sich, an einem Kurs teilzunehmen oder bricht er einen begonnenen Lehrgang ab, muss er laut Zuwanderungsgesetz mit Kürzungen bei den staatlichen Leistungen rechnen. Im Extremfall droht ihm sogar die Ausweisung.

Das möchte Recga keinesfalls riskieren. Wird sein Antrag auf eine Aufenthaltserlaubnis bewilligt, hat er dagegen gute Aussichten, dass ihm das Bundesamt für Migration drei Kurse komplett finanziert. "Ich habe Angst vor dem Test", sagt Recga mit etwas unsicherem Lächeln. Im Jobcenter der Arbeitsagentur hat man ihm gesagt, mit besseren Deutschkenntnissen habe er größere Chancen auf eine Stelle. Auf die Frage, wie motiviert er ist, zuckt er nur leicht mit den Schultern.

aus: EPD sozial Nr. 5 vom 03. Februar 2006

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