Oskar Maria Graf
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Oskar Maria Graf und seine Freunde in München
ein lit.wiss. Seminar von Miriam Gil
Auf den Spuren eines (Provinz-)Schriftstellers, der Zeuge der Münchner Räterepublik war und mit seinem bekanntesten Roman „Wir sind Gefangene“ein von Historikern anerkanntes Dokument zur bayerischen Zeitgeschichte schuf.
1. Oskar Maria Graf – Leben und Werk. Die Flucht nach München Der berühmte Anarchist in Lederhosen mal anders betrachtet : von einem der nach München kam und zwischen die Weltkriege Literatur: literaturwissenschaftlicher Aufsatz von Miriam Gil und Auszüge aus der rororo Bildmonografie zu Oskar Maria Graf
2. Dokument der Zeitgeschichte: Wir sind Gefangene Der Roman als ein Stück Geschichtsschreibung : bekannte Orte und Stimmen Literatur: Wir sind Gefangene von Oskar Maria Graf
3. Freunde, Anarchisten und Revolutionäre – Münchner Räterepublik Die Politisierung des jungen Graf und seiner Weggefährten: von Räten, Sozialisten und Anarchisten Literatur: literaturwissenschaftlicher Aufsatz von Miriam Gil und Textauszüge aus dem Widerspruch, Münchner Zeitschrift für Philosophie
4. Das Leben meiner Mutter – Exil und Heimatbegriff Landleben und neue Heimat New York - Besuch in Moskau Literatur: Das Leben meiner Mutter von Oskar Maria Graf und Auszüge aus „Gefangenschaft und Lebenslust“ – Eine Werkbiographie von Oskar Maria Graf
5. Stammtischbesuch der Oskar Maria Graf Literaturgesellschaft im Gasthaus Fraunhofer in München Literatur (bei Interesse) „Zur Umfrage unter der Oskar-Maria Graf Literaturgesellschaft im Jahre 2014 zur Erinnerung an 100 Jahre Beginn des Ersten Weltkrieges“ von Miriam Gil, erschienen im Jahrbuch der Literaturgesellschaft 2014 Exkursion nach München – Speis und Trank in ungezwungener Atmosphäre am Oskar-Maria-Graf-Stammtisch – Fragen und Anregungen sind herzlich Willkommen
Literatur wird digital verschickt und zusätzlich werden ausgewählte Textauszüge als Kopien von der Dozentin zur Verfügung gestellt
Miriam Gil
Seit 2017 freiberufliche DaF-Dozentin; BA in DaF mit Nebenfach Philosophie; Redaktionsmitglied in der Münchner Zeitschrift für Philosophie Widerspruch; www.widerspruch.com; Schreibendes Mitglied in der Oskar Maria Graf Literaturgesellschaft; www.oskarmaria graf.de In Grafing Stadt aufgewachsen und ehemals Schriftführerin in der Jugendinitiative Grafing e.V.
Literatur:
- Gerhard Bauer: Oskar Maria Graf – Gefangenschaft und Lebenslust -Eine Werk-Biographie
Süddeutscher Verlag, München, ISBN 3-7991-63555-7
- Rororo Bildmonografie Oskar Maria Graf, Georg Bollenbeck ISBN 3 499 50337 9
- „Wir sind Gefangene“ von Oskar Maria Graf
- „Das Leben meiner Mutter“ von Oskar Maria Graf
- Widerspruch, Münchner Zeitschrift für Philosophie „Räterepublik in Bayern“ Nummer 67 ISSN 0722-8104
Wollt Ihr nun wissen,
was und wer ich bin, so sage ich: Mir ist als Bub von zehn bis zwölf Jahren so gründlich wie vielleicht keinem der Glaube an das Menschliche im Menschen herausgeprügelt worden, daß es viele Jahrzehnte, fast bis an die Grenze meines Greisenalters, gebraucht hat, bis ich wenigstens einiges von diesem Glauben wieder zurückgewinnen konnte.
Und ohne diesen Glauben kann kein Mensch existieren. Meine einzige Rettung war, daß ich - um nicht einfach eines Tages meinem Leben den Garaus zu machen - mit einer bohrenden Verbissenheit ohnegleichen stets vor mir selber und der Öffentlichkeit Beichte ablegte, mich derart entlarvte und bloßstellte, bis es mir vor mir selber unsagbar graute. Und da es in der Natur jedes Menschen liegt, stets von sich auf andere zu schließen, so kann man sich denken, welche Erschütterungen dieses sich immer wiederholende Grauen in mir hervorgerufen hat. Es steigerte sich schließlich zum ohnmächtigen Eingeständnis, daß der Mensch eine unergründliche Fehlleistung der Schöpfung ist, wie ein Blatt im Wind hilflos ausgeliefert den Mächten seiner Herkunft, seines mühseligen Werdens und den dunklen, fast unbezwingbaren Trieben.
Das trieb mich zum Schreiben, und das, daß auch der Mitmensch dadurch ermutigt wird, so in sich zu schauen und dadurch zu einer Verträglichkeit mit seiner Umwelt zu kommen, war einzig und allein der Sinn meines ganzen Schaffens und Wirkens.
OskarMariaGraf (Beschreibung eines Volksschriftstellers)
Verbrennt mich
>>>> > Zwei Tage nach der Bücherverbrennung, am 12. Mai 1933, >>>> > veröffentlichte Graf diesen Artikel in der Wiener Arbeiterzeitung:
>>>> > "Verbrennt mich >>>> > >>>> >
Wie fast alle links gerichteten, entschieden sozialistischen >>>> > Geistigen in Deutschland, habe auch ich etliche Segnungen des >>>> > neuen Regimes zu spüren bekommen: Während meiner zufälligen >>>> > Abwesenheit aus München erschien die Polizei in meiner dortigen >>>> > Wohnung, um mich zu verhaften. Sie beschlagnahmte einen >>>> > großen Teil unwiederbringlicher Manuskripte, mühsam >>>> > zusammengetragenes Quellenstudien- Material, meine sämtlichen >>>> > Geschäftspapiere und einen großen Teil meiner Bücher. Das alles >>>> > harrt nun der wahrscheinlichen Verbrennung. >>>> > >>>> >
Ich habe also mein Heim, meine Arbeit und - was am Schlimmsten >>>> > ist - die heimatliche Erde verlassen müssen, um dem >>>> > Konzentrationslager zu entgehen. Die schönste Überraschung aber >>>> > ist mir erst jetzt zuteil geworden: Laut "Berliner Börsencourier" >>>> > stehe ich auf der "weißen Autorenliste" des neuen Deutschlands, >>>> > und alle meine Bücher, mit Ausnahme meines Hauptwerkes "Wir >>>> > sind Gefangene", werden empfohlen: Ich bin also dazu berufen, >>>> > einer der Exponenten des "neuen" deutschen Geistes zu sein! >>>> > >>>> >
Vergebens frage ich mich: Womit habe ich diese Schmach >>>> > verdient? Das "Dritte Reich" hat fast das ganze deutsche >>>> > Schrifttum von Bedeutung ausgestoßen, hat sich losgesagt von der >>>> > wirklichen deutschen Dichtung, hat die größte Zahl seiner >>>> > wesentlichsten Schriftsteller ins Exil gejagt und das Erscheinen >>>> > ihrer Werke in Deutschland unmöglich gemacht. Die >>>> > Ahnungslosigkeit einiger wichtigtuerischer Konjunkturschreiber und >>>> > der hemmungslose Vandalismus der augenblicklich herrschenden >>>> > Gewalthaber versuchen all das, was von unserer Dichtung und >>>> > Kunst Weltgeltung hat, auszurotten und den Begriff "deutsch" >>>> > durch engstirnigsten Nationalismus zu ersetzen. >>>> > >>>> >
Ein Nationalismus, auf dessen Eingebung selbst die geringste >>>> > freiheitliche Regung unterdrückt wird, ein Nationalismus, auf >>>> > dessen Befehl alle meine aufrechten sozialistischen Freunde >>>> > verfolgt, eingekerkert, gefoltert, ermordet oder aus Verzweiflung in >>>> > den Freitod getrieben werden. Und die Vertreter dieses >>>> > barbarischen Nationalismus, der mit Deutschsein nichts, aber auch >>>> > rein gar nichts zu tun hat, unterstehen sich, mich als einen ihrer >>>> > "Geistigen" zu beanspruchen, mich auf ihre sogenannte "weiße >>>> > Liste" zu setzen, die vor dem Weltgewissen nur eine schwarze >>>> > Liste sein kann! >>>> > >>>> >
Diese Unehre habe ich nicht verdient! Nach meinem ganzen Leben >>>> > und nach meinem ganzen Schreiben habe ich das Recht, zu >>>> > verlangen, dass meine Bücher der reinen Flamme des >>>> > Scheiterhaufens überantwortet werden und nicht in die blutigen >>>> > Hände und die verdorbenen Hirne der braunen Mordbande >>>> > gelangen. Verbrennt die Werke des deutschen Geistes! Er selber >>>> > wird unauslöschlich sein wie eure Schmach! Alle anständigen >>>> > Zeitungen werden um Abdruck dieses Protestes ersucht."
http://karldietz.blogspot.de/2013/05/oskar-maria-graf-verbrennt-mich-1933.html
Bert Brecht - Die Bücherverbrennung
Als das Regime befahl, Bücher mit schädlichem Wissen Öffentlich zu verbrennen, und allenthalben Ochsen gezwungen wurden, Karren mit Büchern Zu den Scheiterhaufen zu ziehen, entdeckte Ein verjagter Dichter, einer der besten, die Liste der Verbrannten studierend, entsetzt, daß seine Bücher vergessen waren. Er eilte zum Schreibtisch Zornbeflügelt, und schrieb einen Brief an die Machthaber. Verbrennt mich! schrieb er mit fliegender Feder, verbrennt mich! Tut mir das nicht an! Laßt mich nicht übrig! Habe ich nicht Immer die Wahrheit berichtet in meinen Büchern? Und jetzt Werd ich von euch wie ein Lügner behandelt! Ich befehle euch, Verbrennt mich!
An die Nachgeborenen
Wirklich, ich lebe in finsteren Zeiten! Das arglose Wort ist töricht. Eine glatte Stirn Deutet auf Unempfindlichkeit hin. Der Lachende Hat die furchtbare Nachricht Nur noch nicht empfangen.
Bertolt Brecht